Zahn bei total rekonstruierter Patientin mit bekannten Vorschäden musste entfernt werden
Bei der rekonstruierten Patientin musste heute der Zahn 34 entfernt werden. Es wird jetzt kurzfristig ein Aufbissbehelf eingegliedert, der in der Nacht getragen wird und die Aufgabe hat die eingestellte Okklusion vor Veränderung zu bewahren, die in Folge der Lückenbildung entstehen könnte.
Der Zahn 34 zeigt ein typisches Granulom an der Wurzelspitze. Eine Wurzelspitzenresektion ist angesichts der parodontititsbedingten Kürze des Wurzelanteils, der im Knochen steht nicht in Betracht gekommen.
Nach ca. dreimonatiger Wartezeit sol dan nin regio 34 ein Implantat inseriert werden, das dann nach weiteren drei Monaten mit einer neuen Krone versorgt werden soll.
Das Problem des Falles bestand von Beginn an daran, dass eine Vielzahl der Zähne mit periapikalen Aufhellungen versehen war. Auf Grund der parodontalen Situation waren wurzelspitzenresizierende Eingriffe nicht indiziert, weil die Länge der im Knochen stehenden verfügbaren Wurzellänge nach einer Resketion so kurz gewesen wäre, dass die Zähne aus statischen Gründen keine vorhersagbare gute Prognose gehabt hätten.
So wurde über einen Zeitraum von ca. einem Jahr Vorbehandlung und Erprobungszeit mit Laborgefertigten Dauerprovisorien abgewartet, ob es zu Vergrößerungen der periapikalen Aufhellungen kommt. Die Situation stellte sich als stabil dar.
In Abwägung der Gesamtsituation und nach Absprache mit der Patientin und dem Kostenträger wurde daher das Risiko einer definitiven Versorgung der periapikal nicht einwandfreien Zähne vorgenommen. Diese Versorgung ist seit vier Jahren in situ.
Von den 26 Kronen sind nach vier Jahren noch 23 Kronen in situ. In der Regio 26 und 46 mussen inzwischen zwei Zähne durch Implantate ersetzt werden.
Angesichts der Gesamtumstände ist das Ergebnis als Erfolg zu werten, denn es wäre bei strenger Indikationsstellung auch denkbar und vertretbar gewesen 16 der 26 Zähne zu entfernen! Die Anzahl der notwendigen Implantate wäre weit höher gewesen, als die bisher verbrauchten zwei Implantate und ein drittes nun Notwendiges.
Insofern war die damalige Überlegung die vorhandenen und vorgeschädigten Zähne im Sinne eines kalkulierten Risikos zu belassen, weil die einzig realisierbare Alternative in der Entfernung einer Vielzahl von Zähnen betanden hätte und abzuwarten, ob und wie lange es dauert, bis es an einzelnen Zähnen zu Problemen kommt, die eine Entfernung des Zahnes dann notwendig werden lassen, richtig.
Von den 16 kritischen Zähnen sind nach vier Jahren definitiver Rekonstruktion noch 13 beschwerdefrei, zwei durch Implantate ersetzt und nur folgt das dritte Implantat.
An diesem Fall zeigt sich, dass es Situationen geben kann, in denen eine medizinisch einwandfreie Lösung eines Problems sinnvollerweise hinter einer Kompromisslösunglösung zurück treten muss, wenn diese in der Gesamtabwägung für den Patienten die bessere zu sein scheint.
Der Aufwand, der bereits hätte betrieben werden müssen, um 16 vorbelastete Zähne zu entfernen und durch eine Vielzahl von Implantaten zu ersetzen wäre bedeutend höher gewesen. Die Beschwerden für die Patientin ebenso. Ob es im Verlauf noch zu weiteren Zahnentfernungen kommen wird, wird man sehen. Zu beachten bleibt ebenso, dass selbst wenn man vor 5 Jahren eine Vielzahl von Implantaten gesetzt hätte auch nicht 100% sicher wäre, dass sich diese alle noch in situ befinden würden.
So wenig wie das Leben, so ist auch die zahnmedizinische Behandlung nicht immer nur weiß oder schwarz! Richtig oder falsch! Es kann Kompromisse mit kalkuliertem Risiko geben, die nicht lehrbuchgemäß sind, für den Patienten aber wesentlich vorteilhafter ablaufen, als eine Lehrbuchlösung, bei der zwar formal alles richtig abläuft, aber der Patient schlechter dasteht, als bei einer abgesprochenen Kompromisslösung, bei der dem Patienten die Vor- und Nachteile und die Risiken der Kompromisslösung bekannt sind und von diesem bewusst eingegangen werden.