Rekonstruierte Patientin aus der Region Rensburg zur Besprechung einer ins Alter gerichteten Behandlungsplanung
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Der Fall ist interessant und beleuchtet ein wenig das Problem der Behandlung älterer Patienten.
Man nennt es auch Gerontostomatologie.
Die Patientin ist seit über 15 Jahren mit einem hier erstellten, festsitzenden Zahnersatz versorgt und beschwerdefrei.
Im Laufe der Jahre haben sich bestimmte Probleme eingestellt, die nachfolgend gelöst wurden. Eines der größten Probleme stellt eine Vielzahl wurzelkanalbehandelter Zähne dar. Diese sind zwar gut in Funktion aber...
Die Patientin geht jetzt auf die 70 zu. Die eigene Mutter ist 97 Jahre alt geworden.
Das bedeutet, dass die Patientin bei mittlerer Lebenserwartung als Frau vermutlich mindestens weitere 20 Jahre Lebenserwartung vor sich hat, möglicherweise noch einmal mehr.
Diese Jahre möchte die Patientin sehr gerne mit dem Gefühl eigener Zähne genießen.
Nun scheint die Sache auf den ersten Blick einfach, wenn man sagen kann, dass ca. 60% der bestehenden Arbeit, und hier vor allem der Fundamente, gut in Funktion stehen und ca. 40% der Fundamente einen sanierungsbedürftigen Eindruck hinterlassen, somit auch die darauf sitzenden zahnverschlüsselnden zahntechnischen Restaurationen.
Das Problem an der Sache ist allerdings, dass Patienten, nicht so wie Autos, praktisch unabhängig vom Entstehungsjahr repariert werden können.
Will sagen: Die Behandlungsfähigkeit von Patienten nimmt spätestens ab dem 80. Lebensjahr spürbar ab.
Das hängt zum einen mit körperlichen Altersgebrechen zusammen, zum anderen mit dem Einsatz alterstypischer Medikamente.
Hier ist besonders gefürchtet der Einsatz blutverdünnender Medikamente.
Die Planung neuer Implantate, unter gleichzeitigem Einsatz blutverdünnender Medikamente ist gleichsam ein Teufelsritt in den Sonnenuntergang. Macht man nur sehr ungerne und ist zwangsläufig mit Komplikationen verbunden.
Wenn also Implantate, dann bitte vor der Lebensphase, die mit blutverdünnenden Medikamenten in Zusammenhang gebracht wird.
Was kann man also nun tun?
Zum einen das, was ganz häufig gemacht wird: Immer gerade das, was ansteht, um dann irgendwann zu merken, dass die äußeren Bedingungen nicht mehr das zulassen, was der Patient aus medizinischer Sicht eigentlich brauchen würde. Schlecht für den Patienten, denn der möchte gerne, der Zahnarzt aber kriegt es nicht mehr hin.
Zum anderen, dass man sich überlegt, was will der Patient?
Und wenn der mit dem Gefühl eigener Zähne gerne bis zu seinem Lebensende kommen möchte, dann wird das regelmäßig nicht dadurch zu bewerkstelligen sein, indem man den Dingen ihren Lauf lässt, sondern indem man zu gegebener Zeit die Initiative ergreift und gemeinsam einen Plan entwickelt.
Und genau das machen wir jetzt mit dieser Patientin.
Um es etwas verständlicher zu machen: Es werden jetzt die noch bestehenden drei Problemzonen nach und nach saniert. Hierzu werden Zähne entfernt, Implantate gesetzt und mit Dauerprovisorien versorgt. Immer gerade so viel, dass die Patientin ihr gewohntes Leben weitgehend ungestört weiterleben kann.
Die Zielsetzung ist dann die, dass wir mit Anfang 70 eine Situation vorfinden, in der sich nur noch Strukturen im Munde befinden, bei denen man davon ausgehen kann, dass diese, bei guter Pflege, erneut 20 Jahre ihren Dienst im Munde der Patientin verrichten könnten.
Dann wird das Thema "Biss" aufgegriffen und letztendlich eine Planung vorgelegt mit dem Ziel der kompletten Neuversorgung und hier wiederum mit der Zielsetzung erneuter 20 Jahre Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kauorgans.
Dann wäre die Patientin inzwischen Anfang 90 und in Schlagweite dessen, was man als Lebenserwartung prognostizieren würde.
Diese Vorgehensweise entspricht jedenfalls allemal mehr der Vorstellung der Patientin, als die vorgeschädigten Strukturen einfach nur weiter "abzureiten", um dann irgendwann, so um die 80 festzustellen, dass das so nicht mehr weitergehen wird, gleichzeitig aber die Möglichkeiten verlorenes Terrain erneut aufzubauen alters- und gesundheitsbedingt nicht mehr gegeben sein dürfte.
Hört sich eigentlich alles ganz einfach an, wird nur im Regelfall so nicht durchdacht und daher auch nicht durchgeführt.