Rekonstruierte Kieler Patientin zum Recall und den Umgang mit Reklamationen
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Diese Patientin dient gelegentlich in Gesprächen als Fallbeispiel für eine Ansicht der hiesigen Behandlungsweise.
Als die Patientin vor über 15 Jahren versorgt wurde, gab es Probleme mit der Arbeit. Konkret ging es um die Einstellung der Abzugskräfte der vielfachen Teleskopkronen. Ein wirklich schwieriges Kapitel in der zahnärztlichen Prothetik.
Bei der Abrechnung äußerte die Patientin dann sie sei im Großen und Ganzen mit der Arbeit zufrieden, aber ein Detail funktioniere nicht so recht und sie wäre bereit sich damit abzufinden, wenn man ihr 500,-€ von der Rechnung erlassen würde.
Tatsächlich wurde der Fall dann diskutiert und folgende Überlegung gab dann den Ausschlag sich nicht auf das Angebot der Patientin einzulassen.
Die Begründung dafür war folgende und sie war richtig.
Die Arbeit war auch schon damals auf eine Einsatzzeit von mindeste4ns 10 Jahren ausgelegt. Die Patientin sollte alle drei Monate zum Erhaltungsrecall erscheinen. Es war also absehbar, dass wir alle drei Monate erneut mit der Reklamation der Patientin konfrontiert werden würden, ohne an dem Anlass der Reklamation nachträglich etwas ändern oder diesen gar abstellen zu können!
Was haben wir getan?
Die Arbeit komplett neu erstellt.
Die Patientin war am Ende der Neuerstellung mit allen Details der Arbeit zufrieden, kommt seitdem alle drei Monate zum Rcall und noch heute befindet sich die prothetische Arbeit im Munde der Patientin, mit der die Patientin bis heute zufrieden ist.
Es gibt aus diesem Vorgang zwei Erkenntnisse.
Die Neuerstellung der Arbeit ging im zweiten Anlauf erheblich schneller, weil man im zweiten Anlauf wusste, wo die Probleme des Falles liegen!
Hätte man dem damaligen Angebot der Paientin nachgegeben, hätte man sich im besten Fall alle drei Monate die immer gleiche Beschwerde anhören müssen. Im schlechtesten Fall wäre die Patientin irgendwann in eine andere Praxis gegangen, weil sie von Beginn an mit der Arbeit nicht zufrieden war und es auch einen objektiven Grund für diese Nichtzufriedenheit gab.
Aus diesem Grunde werden im CMD CENTRUM KIEL keine Arbeiten eingegliedert, die nicht fachlich in Ordnung sind. Daher gibt es auch keine Preisnachlässe für mangelhafte Arbeiten.
Was durchaus immer einmal wieder vorkommt, dass Arbeiten in Teilen neu erstellt werden müssen, weil sich Probleme zeigen, die nicht repariert werden können und den Gebrauchswert der Arbeit einschränken würden.
Nun gibt es aber seit heute ein ganz neues Problem und das hängt mit dem Thema Alter und Konstitution des Patienten zusammen.
Das vor ca 4 Monaten inserierte Implantat 33 ist nicht knöchern angewachsen, sondern bindegewebig und musste entfernt werden.
Die Idee, die dahinter stand war gut. Nachdem Zahn 33, der langjährig eine Teleskopkrone getragen hatte, entfernt werden musste, sollte dort ein Implantat integriert werden, die vorhandene Arbeit umgebaut werden und alles sollte so weitergehen wie über 15 Jahre lang zuvor.
Problem allerdings: Das Implantat ist nicht angewachsen.
Die Frage: Warum? Letztendlich nicht zu klären.
Die Patientin ist aufgelöst, weil sich immer mehr zeigt, dass jede Arbeit und sei sie noch so gut, irgendwann endlich ist. Dabei ist es nicht die zahntechnische Rekonstruktion, die Probleme bereitet, sondern die Fundamente, die die Patientin noch im Munde hat.
Alle Überlegungen, warum denn jetzt mit 78 Jahren Zähne locker werden und verloren gehen, die 60 Jahre lang ihren Dienst getan haben, sind akademischer Natur. Allerdings werden derartige Überlegungen in aller Regel von den Patienten angestellt.
Dann kommt dazu, dass die Patientin inzwischen blutverdünnende Medikamente benötigt, die jeden chirurgischen Eingriff erschweren, bis unmöglich machen.
Die Überlegungen, warum das Implantat nicht eingewachsen ist, reichen von "Restentzündungen im Kieferknochen" verursacht durch den dort langjährig stehenden Pfeilerzahn, über möglicherweise altersbedingt eingeschränkte Regenerationsfähigkeit des Knochens bis hin zu Überlegungen, ob noch vorhandene nebenstehende Frontzähne unterschwellig chronisch entzündet sein könnten, und eine Einheilung des Implantates 33 verhindert haben.
Was soll man tun?
Nach entsprechener Abheilungsphase erneut ein Implantat in regio 33 inserieren und hoffen und beten?
Oder besser die vorhandenen 5 Zähne im Unterkieferbereich entfernen und für einen "schieren", will sagen entzündungsfreien Knochen sorgen? Das will die Patientin aber auf keinen Fall, weil sie dann absehbar für mindestens 6 bis 9 Monate nichts mehr im Unterkiefer hätte, um irgendwan daran zu besfestigen.
Dann soll das Ganze natürlich beihilfefähig sein, was bedeutet mit Restzähnen im Knochen gibt es zwei Implantate, ohe eigene Zähne sind 4 Implantate möglich.
Das Alter der Patientin lässt mit 78 Jahren zurecht die Frage aufkommen, was hier sinnvollerweise medizinisch indiziert sein könnte.
Was aber auch nicht bedeuten kann Überlegungen anzustellen, derart: In dem Alter lohne sich gar nichts mehr, den die Patientin kann auch 98 werden.
Das, was die Patientin gerne möchte, war auch das abgesprochene Behandlungsziel. Mit möglichst geringem Aufwand den Komfort der fest sitzenden Unterkieferteilprothese zu erhalten, die seit über 15 Jahren ihren Dienst im Munde der Patientin verrichtet. 24 Stunden am Tag.
Das aber hat eben nicht geklappt und was noch schlimmer ist: Niemand weiß, warum es nicht geklappt hat und man wird es auch nicht heraus finden können.
Das ist für sich gesehen schon ein Problem, noch problematischer ist aber die Frage: Was macht man nun?
1. Nach drei Monaten Wartezeit ein neues Implantat in regio 33 setzen?
2. Alle noch vorhandenen Restzähne im Unterkiefer entfernen, Knochen abheilen lassen und 2 bis 4 Implantate inserieren?
3. Ein neues Implantat nicht in regio 33 , sondern weiter nach hinten setzen, in dr Hoffnung, dass es dort anwächst?
4. Die Patientin in die Zahnlosigkeit des Unterkiefers ziehen lassen?
Die Patientin möchte am Liebsten:
1. Mit den beschriebenen Problemen nichts zu tun haben!
2. Einen Kostenträger, der alles zahlt.
3. Einen Behandler, der bereit ist die genannten Risiken, siehe oben, auf seine Kappe zu nehmen!
Alles verständlich, aber eben nicht realisierbar. Jedenfalls nicht in dieser Praxis.
Und irgendwie, Sie ahnen es, steht man an einer ähnlichen Stelle, wie vor 15 Jahren, als es Probleme mit der alten prothetischen Rekonstruktion gab, die man zweimal erstellt hat.
Alle Überlegungen der Patientin:
Man hätte, man könnte, vielleicht ein Anderer...
Ja, das ist alles denkbar, aber erst hinterher wird man schlauer sein.
Die Entscheidungen müssen aber VORHER getroffen werden und zwar gemeinsam zwischen Arzt und Patientin.
Besser gewesen wäre es, schon vor vielen Jahren ein paar mehr Fundamente in den Kiefern zu etablieren, von denen man jetzt im Alter zehren könnte. Wenn man so will das Prinzip einer "Feuerversicherung". Da zahlt man auch 50 Jahre ein und wenn es nie gebrannt hat, kann man zwar argumentieren, dass man 50 Jahre lang Beiträge für nichts gezahlt hat. Wenn es aber brennt, dann ist man abgesichert. was würde die Patie ntin jetzt dafür geben, wenn wir zu gegebener Zeit Fundamente gesetzt hätten, die wir jetzt zur Verfügung hätten?
Aber das hätte die Beihilfe nicht erstattet und möglicherweise hätte nur der Zahnarzt daran verdient, so jedenfalls der nachvollziehbare Gedankengang eines solchen Patienten.
So ist das Leben und bei diesen Fällen gibt es keine Schuldigen, nicht einmal Verantwortliche. Das ist eben irgendwo dann auch noch das Lebensschicksal, das sich nicht immer prognostizieren lässt, auch wenn es genügend Leute gibt, die glauben, es müsse anders sein, oder gar man könne das.
In einer derartigen Geschichte stecken noch viel mehr Facetten, als man glaubt.
Zum Beispiel die, ob es für die Patientin nicht besser gewesen wäre, die vor über 15 Jahren inkorporierte Arbeit hätte nur 5 Jahre gehalten, und die Patientin hätte mit 68 Jahren vor den Fragen gestanden, vor denen sie heute mit 78 Jahren steht.
Hat nicht erst die hervorragende prothetische Rekonstruktion der Patientin über viele Jahre hinweg einen Zustand vorgegaukelt, der schon seit 20 Jahren nicht mehr gegeben war?
Hat nicht vielleicht doch der Zahnarzt schuld, der der Patientin über viele Jahre hinweg auf wenigen Restzähnen und dann mit zwei zusaätzlichen Implantaten im Oberkiefer einen Komfort verschafft hatte, der nun auf einmal auf dem Spiel steht und das in einer Lebensphase, in der die Patientin zwar vieles will aber kaum noch etwas kann?
Was wir empfehlen würden?
Schwer zu sagen und deshalb bleibt gar nichts anderes übrig, als dem Patienten die Karten zu legen und diesen entscheiden zu lassen, denn wir wissen nicht, was die Patientin im Portemonnaie hat, wie alt sie noch werden wird. Ob sich größerer Aufwand noch lohnt, oder man aber damit leben muss, dass die letzten Lebensjahre der Patientin nur noch mit eingeschränktem Kaukomfort zu genießen sein werden.
Es ist bequem und nachvollziehbar diese Überlegungen und Entscheidungen an einen Arzt zu delegieren. Wenns gut läuft hat der Patient den Nutzen und wenns nicht gut läuft ist der Arzt schuld.
So ist das Leben und als Arzt ist man gut beraten den Patienten von vorne bis hinten aufzuklären, aber dann letzten Endes den Patienten die Entscheidung fällen zu lassen, wie man weiter vorgeht.
Genauso werden wir es hier auch tun und wenn die Patientin meint ein anderer Arzt sähe hier keine Probleme und bekommt all das mit wenig Aufwand hin, was eben gerade an Probleme geschildert wurde, dann ist das auch ein Weg, der dem Patienten offen steht.