Patientin von der Westküste zu einer wichtigen Besprechung
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Es liegen vor: Die artikulierten Modelle der Instrumentellen Okklusionsanalyse, vor dem Diagnostischen Aufwachsen.
Die Patientin ist nicht mehr jung und auch noch nicht ganz alt, jedenfalls in einem Alter, in dem bereits mehrere Jahrzehnte Nutzung der Zähne deutlich erkennbar sind, aber durchaus auch noch zwei oder drei Jahrzehnte vor ihr liegen. Jedenfalls glaubt man man den offiziellen Zahlen der Lebenserwartung bei Frauen.
Nun kann man bereits jetzt erkennen, dass der Wunsch der Patientin ihr Problem allein über die Erneuerung der im Munde vorhandenen Dauerprovisorien allein nicht möglich sein wird. Es wird, weil schlichtweg die anderen im Seitenzahnbereich vorhandenen Zähne bestenfalls noch das okklusale Relief von platten Semmeln haben, nichts anderes übrig bleiben, als die Seitenzahnversorgungen komplett neu zu gestalten.
Dabei macht es den Eindruck, dass das sogar klappen könnte. Nun ist eine derartige Versorgung zumindest konzeptionell schon darauf ausgelegt 10, 15, 20 und noch mehr Jahre halten zu können.
Das Problem besteht nun aber darin, dass die Frontzähne nicht zwangsläufig widerhergestellt werden MÜSSEN, man sich aber angesichts des zuvor geschriebenen als Behandler schon die Frage stellen muss, ob dann eigentlich die für die dynamische Okklusion wichtigen Frontzähne diesen angestrebten Versorgungszeitraum überstehen können.
Nun haben Laien häufig den Eindruck man könne derartige Behandlungen praktisch modulbauhaft durchführen. Also erst mal die kleine Variante und wenn dann nach 10 Jahren die beschriebenen Probleme auftreten, dass dann doch auf einmal die Frontzähne "nachversorgt" werden müssen, dann eben einfach nur nachholt, was man vor 10 Jahren auf die lange Bank geschoben hatte.
Und dieser Denkfehler, der rächt sich dann eben möglicherweise irgendwann bitter.
Denn wenn man dann in 10 Jahren merkt, dass die Frontzähne doch wieder aufgebaut werden müssen, dann muss es tatsächlich zu einer sogenannten Bisshebung kommen und das bedeutet dann in einem derartigen Fall, dass mindestens in einem Kiefer auch alle Seitenzahnversorgungen erneuert werden müssen, auch wenn diese Versorgungen überhaupt nicht erneuerungsbedürftig sind.
Worum geht es dann also jetzt?
Den Patienten über diese Dinge aufzuklären, damit der Patient eine Entscheidung trefffen kann. Und genau das haben wir getan. Ein langes und dokumentiertes Gespräch, damit die Patientin eine Entscheidung treffen kann, in voller Kenntnis der beschriebenen Umstände und Probleme.
Besprechen kann man dabei nur Dinge, die medizinisch vertretbar sind. Es geht um ein Abwägen, so wie es Herr Prof. Walter aus Dresden in der Kursserie zum "Fortgebildeten Gutachter der DGPRO" im Jahr 2017 versucht hat seinen Kursteilnehmern mit auf den Weg zu geben.
Es gibt im Leben und in der Zahnheilkunde nicht immer ein richtig und ein falsch. Je weiter das Leben des Patienten voranschreitet und je mehr die Stürme des Lebens ihre Spuren am Körper und im Kauorgan des Patienten hinterlassen, umso mehr muss der Behandler abwägen.
Und dabei ist es das Beste, wenn er das nicht still und allein in seinem Kämmerchen tut, sondern den Patienten einbezieht.
Man kann ganz Vieles in dieser Zwiesprache zwischen Arzt und Patient tun, wenn es zum einen medizinisch vertretbar erscheint und zum anderen im Wissen des Patienten stattfindet.
Ergebnis: Die Patientin hat sich für die kleinere Lösung entschieden und hierbei noch für eine Spezialvariante. Die dauerprovisorische Versorgung wird als kleinere Variante ohne die Frontzähne ausgeführt, dann überlegt die Patientin vor der Versorgung mit den definitiven Rekonstruktionen erneut.
So ist es geplant, bevor wir mit dem Diagnostischen Aufwachsen beginnen. Ob das dann wirklich als Behandlungsvariante in Frage kommt wissen wir noch nicht einmal selbst. Aber, diese Idee musste bereits besprochen werden, bevor das Aufwachsen beginnt.
Einen derartigen Fall haben wir übrigens das erste Mal. In allen anderen Fällen gab es nichts zu besprechen, denn letztendlich muss der Behandler ein Konzept vorlegen, das am Ende funktioniert und auch haftungsrechtlich allen möglichen Überprüfungen standhält.
Aber hier war es eben doch einmal anders und führte eben zu diesem Gespräch.
Das ist eben auch eine Erkenntnis dieses Beitrages für den Leser. Wir wissen vor dem Diagnostischen Aufwachsen nicht immer alles, denn dann müssten wir es nicht durchführen. Aber auch ein Diagnostisches Aufwachsen beginnt nicht im luftleeren Raum, sondern man kann dort Dinge erahnen. Aber selbst diese Dinge, die man nur erahnen kann, können frühzeitig in die eine oder andere Richtung gelenkt werden und sollten besprochen werden.
Das haben wir gestern getan. Ob diese „Ahnung“ sich dann am konkreten Modellpaar im volladjustierbaren SAM Artikulator überhaupt in die Realität umsetzten lässt, oder sich sogar im Nachhinein herausstellen wird, dass dieses Gespräch zwar gut gemeint war, aber letztendlich doch überflüssig, das wird sich jetzt herausstellen.
Dann ist es aber besser man hat diese Dinge vorher besprochen und muss die begonnene Arbeit im Labor nicht erst dann unterbrechen.