Patientin aus Ostholstein erhält ein neues und gaaaanz besonders schiefes Implantat
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Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir eine ganz besonders schlaue Patientin, berufliche Qualifikation "Reiki Meisterin", die sich über schiefe Implantate äußerte und über die ihrer Meinung nach unzureichende fachliche Qualifikation ihres Implanteurs. Der war übrigens der Verfasser dieses BLOGs.
In diesem Fall wurde ganz bewusst ein Implantat schief in den Kieferknochen eingebracht. Bei besagter Reiki Meisterin nicht. Zumindest weder klinisch noch radiologisch war erkennbar wozu das Implantat überhaupt schief stehen sollte. Vermutlich zur esoterischen Mittelachse der Reiki Meisterin.
Warum hier etwas scherzfhaft über diesen Fall berichtet wird, war das enttäuschte Verlangen der Patientin fachlich auf Augenhöhe mitreden zu wollen. Das ist ja heute der große Trend, dass der Patient dem Arzt sagt, was zu tun ist.
Wobei man auch hier schon etwas scherzhaft anfügen muss, möglicherweise der eine oder andere Patient schon das verinnerlicht hat, worüber in diesem BLOG immer mal wieder berichtet wird: Die etwas unselige Entwicklung in der Medizin und damit auch der Zahnheilkunde.
Der Verfasser hört schon seine Patientin aus Wolfsburg rufen: "Frauenfeindlich!"
Nein, nur weil man die Zustände schildert, wie man sie wahrnimmt, ist man nicht frauenfeindlich.
Bevor es nun im Fall weitergeht noch ein kleiner Hinweis an unsere Reiki Meisterin.
Ein kleines Geheimnis beim Implantieren lautet daher "Kronenflucht".
Google hier!
Zähne sind nämlich per se erst mal nicht gerade. Ein Implantat hingegen schon. Will sagen: Das Implantat steht eigentlich fast immer anders im Knochen, weil gerade, als die Wurzel des Zahnes, denn der Zahn hat ganz natürlicherweise eine "Kronenflucht". Heißt: Die klinische Zahnkrone knickt leicht von der Achse der Wurzel ab. Unten nach außen, oben nach innen. Was in letzter Konsequenz bedeutet: Unsere Reiki Meisterin hat recht. Praktisch jedes Implantat liegt im Vergleich zu den Wurzeln, die vorher im Knochen steckten, etwas schief. Au Backe!
Der Vollständigkeit halber sei es erzählt: Allen Ernstes hat diese Patientin einen Behandler gefunden, der ihr das vermeintlich schief gesetzte Implantat entfernt hat! Wir haben auch gedacht, wir hören nicht richtig.
Kommen wir zurück zum heutigen Behandlungsfall:
Hintergrund des heute zu lösenden Problems? Da, wo man das Implantat gerne hin gehabt hätte, in regio 12 und 13, da war leider kein Knochen verfügbar und auch wenn es noch die legendäre Fernsehsendung "Wünsch Dir was" gegeben hätte, wäre auch das leider nicht die Lösung unseres Dilemmas gewesen.
Nun könnte man sagen: Alles kein Problem, dann pflanzen wir da halt Knochen hin. So, oder so ähnlich sind ja diese Geschichten, die man immer mal wieder hört: Morgens das Implantat inseriert, abends die Krone oben drauf. So was gibts tatsächlich. Nur leider nicht bei Patientinnen mit reduziertem Zahnbestand und irgendwo zwischen jugendlicher Frische und leicht nachlassendem Regenerationsvermögen, jenseits der 50. Warum das dann immer mal wieder zu hören ist? Weil man Patienten damit ködern will. Wer will schon gerne die Wahrheit hören?
Die Realität sieht nur oftmals ganz anders aus.
Ein wirklich versierter Kieferchirurg aus Kiel, der Verfasser dieses BLOGs würde sich, ohne zu zögern, dort selbst auf den Behandlungsstuhl legen, hat vor etlichen Jahren ziemlich genau dort, wo der hiesige Behandler bei dieser Patientin Implantate setzen wollte, sogenannte Augmentationen durchgeführt. Wohlgemerkt bei dieser Patientin.
Das sah auch im Röntgenbild gut aus, bis man dann, wie Otto Rehhagel sagte: "Die Wahrheit liegt auf dem Platz", intraoperativ auf einmal vor einem körnigen, weißen Gekrümel steht, das im Röntgenbild wir Knochen aussieht, nur leider in der klinischen Betrachtung dann leider kein Knochen ist, sondern ein weißliches Gekrümel.
Das ist leider ganz häufig die Realität, die sich mit augmentiertem Knochen verbindet. So viel, ganz nebenbei zu bildgebenden Verfahren. Daran ändert sich auch nicht deshalb etwas wenn man dreidimensionale und strahelbelastende DVTs erstellen lässt und keine üblichen zweidimensionalen OPGs, die nicht ganz umsonst weiterhin den Standard in der Implantologie darstellen. Hier sei es erwähnt. Die Strahlenbelastung eines DVT ist mehrfach höher, als die eines OPG oder Zahnfilmes. Es ist dann schon etwas erheiternd, wenn Patienten zwar um did enotwendigkeit jedes einzelnen Röntgenbildes feilschen, aber dann bereitwillig ein DVT erstellen lassen, das etwas überspitzt gesagt dem radiologischen Sonnenbrand entspricht. Am Besten noch, wenn man vor und nach der Implantation ein DVT erstellen lässt.
Deshalb steht der klinisch tätige Implantologe, so wie hier der Verfasser des BLOGs, der über 20 Jahren hinweg auch inzwischen über 1000 Implantate persönlich in die verschiedensten Kieferknochen hinein geklopft und geschraubt hat, augmentierten Knochen prinzipiell immer erst mal skeptisch gegenüber und im Weiteren, was sogenannte computernavigierte Implantate, und die damit zwangsläufig verbundenen Implantatbohrschablonen, betrifft.
Die gehen nämlich nicht davon aus, dass die Wahrheit im Kieferknochen des Patienten liegt, sondern glauben ganz fest daran, dass der Knochen schon so sein wird, wie das Computerprogramm meint, dass der Knochen sein müsste. Die Meinung des Computerprogramms wiederum gründet sich auf besagtem DVT. Denn wir wissen jetzt: Das besagte nicht belastungsfähige Gekrümel sieht zwar im Röntgenbild und übrigens auch im DVT aus wie Knochen, ist aber leider nicht belastbar wie Knochen, sondern gar nicht.
Es obliegt im Weiteren dem jeweiligen Implanteur, der ja nun sozusagen auf dem Platz steht, zu entscheiden, ob das Gekrümel drin bleibt oder nicht. Ganz besonders interressant dann übrigens, wie ganzheitlich orientierte Patienten, wie besagte Reki Meisterin, die zwar zum einen mit allem Möglichen hadern, was Ihnen vieleicht schaden könnte, würden Sie denn 750 Jahre alt, gleichsam aber kein Problem damit haben sich ein Knochenaugmentat einbringen zu lassen, bei dem der Trend, dem Interessierten sei es gesagt, immer mehr vom eigenen Knochen weg zum Knochenersatzmaterial geht. Damit eben auch häufig leider nur eben auch zum weißen Gekrümel, dass offensichtlich nicht abgebaut und ausgeschieden wird, sondern irgendenwo im Kiefer dieser Patientin langsam vor sich hin vegetiert.
Nun sei es unserer Reiki Meisterin verraten, setzt der erfahrene Implantologe im Zweifelsfall das Implantat lieber in ortsständigen Knochen, also den, mit dem der Patient mal auf die Welt gekommen ist und nimmt dafür in Kauf, dass das Implantat etwas schief steht, als das Implantat in augmentierten Knochen zu inserieren, bei dem, zumindest die Fachleute wissen, dass dieser Knochen, man weiß nicht warum, genauso schnell wieder abgebaut wird, wie er hochgezüchtet wurde. Ein bißchen erinnert das an turbogemästete Zuchtschweine und die Schweinesteaks, die dann in der Pfanne heftig vor sich hinspritzen, weil viel Flüssigkeit eingelagert ist und wenig Fleisch, und das Steak am Ende des Bratvorgangs, im besten Fall noch die Hälfte der ursprünglichen Größe, besitzen.
Man könnte es etwas scherzhaft mit Silikonbusen vergleichen, der zwar auch schnell implantiert ist, aber leider nicht ewig drin bleibt, sondern regelmäßig ausgetauscht und erneuert werden muss. Verbunden mit all den kleinen Nickeligkeiten, über die die Frau mit natürlichem Fettgewebe an der richtigen Stelle, nur schmunzeln kann.
Was vermag man nun, anhand des postoperativen Röntgenbildes erkennen?
Das neu inserierte Implantat, wir nennen es jetzt 11 sitzt schräg zu der Achse des bereits osseointegrierten Implantates 21.
Anhand der Schraubenwindungen, und deren Schärfe und anhand des Vergrößerungsverhältnisses vermag man zu erkennen, dass die beiden Implantate nicht in der gleichen Frontallebene liegen. Heißt auf Deutsch: Das neu inserierte Implantat liegt etwas weiter hinterkopfseitig, als das Altimplantat, das praktisch etwas weiter in Richtung Nasenspitze liegt.
Das ist nicht unbedingt im Sinne des Erfinders, aber durchaus erfolgreich versorgbar.
Dem Interessierten sei es kurz ans Herz gelegt, unserer Reiki Meisterin ohnehin.
Es gibt eine Implantat Philosophie, die darauf beruht, ausschließlich mit "schiefen Implantaten" zu arbeiten.
Diese Systeme sind fast ausnahmslos für Patienten gedacht, bei denen die üblichen "geraden" Implantate nicht mehr verwendet werden können.
Die Probleme dieser "all on 4" Konstruktionen liegen dabei nicht in den schiefen Implantaten, sondern in der Zahl 4 begründet.
Wenn nämlich nur eines dieser schiefen Implantate ein Problem bekommt, das ausnahmslos alle Implantate bekommen können, Stichwort: Periimplantitis, dann bricht die gesamte prothetische Konstruktion zusammen. Das ist ärgerlich, teuer und vor allem ist es dann aus mit dem Thema "Festsitzender Zahnersatz", der sich wie die eigenen Zähne anfühlt.
Mehr Implantate bekommt man aber in diesen Fällen, aus den genannten Gründen ist ja nicht genügend Knochen zum Inserieren einer höheren Zahl an Implantaten vorhandenen, leider nicht rein in den noch vorhandenen Restknochen dieser Patienten.
Wo nichts mehr ist, hat der Kaiser sein Recht verloren.
Da kann man dann ja aber Knochen hin implantieren!
Ja kann man, siehe Augmenatat, und die ganz besonders schwere Form der körpereigenen Knochentransplantation besteht dann darin aus dem Beckenkamm Knochen en bloc zu entnehmen und auf den noch vorhandenen Kieferknochen drauf zu schrauben.
Beliebter Chirurgenwitz und das mit wahrem Kern: "Patient kann danach wieder essen, aber nicht mehr laufen!" So schmerzhaft sollen die Nachwirkungen dieser Knochenentnahme aus dem Beckenkamm sein.
Und wenn es so einfach wäre, wie es häufig beschrieben wird, dass man da, wo kein Knochen ist, mal schnell welchen anzüchtet, dann gäbe es das System "all on 4" auch gar nicht.
Diese System ist sozusagen der letzte noch verfügbare Schuß im Gewehr. Danach ist sense mit Festsitzendem Zahnaersatz.
Wir haben es zum Glück noch nie gemacht, haben jetzt aber einen ersten Patienten, bei dem es, wegen der notwendigen ITN Narkose in der MKG des UKSH probiert werden soll.
Wir bereiten vor, und setzten dann die Prothetik drauf, und dann werden wir selbst berichten können, wie es ist ein derart schiefes Implantatkonstrukt prothetisch zu versorgen.
Das Hauptproblem dieses Systems besteht unter anderem darin, dass es schon fast sklavisch notwendig ist auf diese vier schiefen Implantate dann einen Zahnersatz zu inkorporieren, der frei von okklusalen Fehlbelastungen ist.
Also genau das, was man bei einem CMD Patienten macht. Aber eben leider oftmal nicht gemacht wird. Eine funktionstherapeutisch durchgeplante Totel Rekonstruktion des Kauorgans.
Wenn man so will haben wir in diesem Fall, aus den oben genannten Gründen: Leider kein belastbarer Knochen an der gewünschten Stelle, obwohl der Kollege Kieferchirurg das vor etlichen Jahren schon mit einem Augmentat versucht hatte, bereits in regio 17 ein Implantat zu weit nach hinten und in regio 11 zu weit in die Mitte gesetzt. Beide Male aber gaaaanz bewusst schief, weil durch den Implantataufbau, der noch in die Implantatschulter geschraubt werden muss, die eigentlich nutzbare prothetische Lage des Implantates dann mit einem gewinkelten Aufbau etwa dort in regio 17 und in regio 12 durch die Gingiva hindurchtreten wird, wo man die Implantate gerne gehabt hätte, nur leider kein Knochen zur Verfügung stand, obwohl der Versuch dort Knochen neu aufzubauen, schon vor mehreren Jahren von einem kieferchirurgischen Kollegen vorgenommen wurde, der mit Sicherheit mehr Ahnung von diesem Thema hat, als der Verfasser dieses BLOGs.
Will sagen: Wenn der es schon nicht hinbekommen hat, dann wird es der aktuelle Behandler erst recht nicht hinbekommen. Weil man es eben nicht hinbekommt, auch wenn einem mancher Kollege die Geschichte erzählt: Morgens implantiert, abends die Krone oben drauf.
Der gesamte Fall, vor allem auch, was die Altimplantate im Oberkiefer betrifft, ist weit komplexer, als man auf einen und nicht mal auf den nächsten Blick vermuten könnte.
Damit hat aktuell u.a. auch ein Beratungszahnarzt der Barmenia zu kämpfen, der der Patientin gerne einen herausnehmbaren Zahnersatz verordnen möchte, was wiederum die Patientin nicht will. Deshalb hatte sie nämlich extra bei der Barmenia eine Zahnzusatzversicherung abgeschlossen.
Irgendwie scheint es so zu sein, dass da Versicherung und Versicherte irgendwie aneinander vorbei gedacht haben.
Wir werden den Fall weiter verfolgen.