Patientin aus Flensburg zur Präparation der Frontzähne für Laborgefertigte Dauerprovisorien
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Das ist einer dieser Behandlungsfälle an dem man sich habilitieren könnte, würde man alle Probleme des Falles versuchen zu ergründen zu beschreiben und auch noch behandlerisch zu lösen.
Exemplarisch werden einige der Probleme dargestellt. Die Überlegungen und Möglichkeiten, die hier angerissen werden gehen aber noch weit über das Dargestellte hinaus, ansonsten ist ein derartig komplexer Behandlungsfall nicht zu lösen.
Letzten Endes vermag aber sehr gut zu erkennen, was die funktionstherapeutische Behandlung von CMD Patienten von einem normalen Zahnpatienten unterscheidet.
Bei einer konventionellen Zahnbehandlung geht es prinzipiell darum die bestehende okklusale Situation und damit den Biss zu erhalten!
Genau das ist nicht das Ziel einer funktionstherapeutischen CMD Behandlung. Behandlungsindizierend ist hier gerade, dass die bestehende Situation des Bisses, verbunden mit den Störungen der statischen und der dynamischen Okklusion die Ursache der bestehenden Beschwerden darstellt.
Also wäre es vollkommen unsinnig mit neuen zahntechnischen Rekonstruktionen das zu duplizieren, was die Ursache der Beschwerden des Patienten darstellt.
Wenn man so will, wird in einer Art künstlerischen Leistung über die Neugestaltung der Zahnoberflächen nicht nur der Biss eingestellt, sondern auch die vorhandenen Störungen der Okklusion beseitigt.
Man könnte auch sagen: Bekanntes Land, heißt der bestehende Biss und die damit verbundenen okklusalen Verhältnisse wird verlassen und man bricht auf in ein neues unbekanntes Land, von dem man sich bei neuen Bissverhältnissen und den sich daraus ergebenden okklusalen Veränderungen der statischen und der dynamischen Okklusion bessere Lebensumstände erhofft. Konkret: Keine, oder mindestens weniger der bekannten funktionellen Beschwerden.
Um die relevanten Überlegungen in der Sache darzustellen wird es einige Zeit benötigen.
Alles beginnt mit der Anamneseerhebung und dem Nachweis einer Kausalität zwischen bestehenden Beschwerden und beklagten Beschwerden. Erst wenn dieser Nachwies gelungen ist kommen Überlegungen in Richtung einer funktionstherpeutischen Einstellung der Bisslage auf.
Hierzu wird dann eine Instrumentelle Okklusionsanalyse erstellt. Diese wird an Gipsmodellen durchgeführt, bei denen man eben nicht erkennen kann, wie groß die Zahnnerven in den vorhandenen, vitalen Zähnen sind!
Hier also das erste große Problem: Man plant eine für diesen Patienten idealisierte Okklusion und setzt das an Gipsmodellen um. Ob sich das so exakt 1:1 im Munde des Patienten, an lebenden Strukturen, hier den Zähnen überhaupt so umsetzen lässt, ist dabei nicht 100'% klar. Warum macht man das dann überhaupt so? Weil es keine Alternative gibt! Und digital! Ein digitaler Idiot weiß noch weniger, als eine erfahrener Zahnarzt/Zahntechniker wie groß vermutlich der Zahnnerv in einem Zahn ist, wobei die Größe des Zahnnerven auch noch vom Alter abhängt, von den bisher erfolgten Vorbehandlungen, dem Vorhandensein von Karies und ganz vielen anderen Faktoren.
Irgendwann dann beginnt die Umsetzung des Behandlungskonzepts im Munde des Patienten. Nun auf einmal merkt man beim Präparieren, wie die wirklichen Bedingungen sind. Das ist kein Gipszahn, den man da präpariert, sondern lebendes Gewebe. Es gibt keine Möglichkeit einer objektiven Messung, wie viel man vom Zahn wegpräparieren kann, bevor es für den Zahnnerven gefährlich wird. Woher weiß das nun also der Zahnarzt? Einfache Antwort: Er weiß es nicht und wenn er es sieht ist es schon zu spät. Der Behandler präpariert nach Gefühl! Genau das ist die Wahrheit und ist sich dabei immer bewusst, dass der letzte 1/10 Millimeter möglicherweise der letzte zu viel war.
Also gilt wie beim Autofahren: Lieber 10km/h zu langsam in die Kurve, als 1 km/h zu schnell!
Es gibt auch keine Möglichkeit verlässliche Messungen zwischen den Planungsmodellen der Instrumentellen Okklusionsanalyse und der Situation im Munde durchzuführen.
Am Ende ist die Situation im Munde dann so, dass der Behandler meint, so könnte es gehen!
Es werden die ersten Dauerprovisorien im Labor hergestellt. Hier sind materialspezifische Eigenheiten zu beachten. Zum Beispiel müssen Kunststoffkronen dicker dimensioniert sein, damit sie brechen, als zum Beispiel Metallkronen.
Es macht nun aber keinen Sinn für die Dauerprovisorien mehr vom Zahn weg zu präparieren, als hinterher für die abschließenden endgültigen Versorgungen nötig sein dürfte!
Im nächsten Schritt, der Versorgung der Seitenzähne des Gegenkiefers kommt dann das erste Mal der Tag der Wahrheit, weil sich jetzt heraus stellt, ob es möglich ist die vertikale Dimension einzuhalten, die im Rahmen der Instrumentellen Okklusionsanalyse erarbeitet wurde.
Die vertikale Dimension der Seitenzähne hat nämlich zwangsläufig Einfluss auf die Möglichkeiten der Gestaltung der Fronteckzahnführung.
Je höher die Vertikale im Seitenzahngebiet ausfällt, umso mehr entfernen sich kiefergelenkachsenbezogen die Frontzähne voneinander und es mindert sich die dringend benötigte vertikale Überlappung der Oberkiefer- und Unterkieferfrontzähne. Darüber hinaus verändert sich die Achsenbeziehung zwischen Oberkiefer- und Unterkieferfronzähnen. Diese Achsenbeziehung ist über die geplanten zahntechnischen Rekonstruktionen in einem gewissen Maße korrigierbar, aber eben auch nicht beliebig!
Darüber hinaus können Frontzähne nicht im Schneidekantenbereich beliebig dick ausgeführt werden, da der Patient ansonsten nicht mehr in der Lage ist abzubeißen.
Es existieren eine Menge an Zusammenhängen, die sich dem Leser nicht gleich auf den ersten Blick erschließen und aus den oben genannten Gründen in der normalen Zahnarztpraxis nicht präsent sind, denn im Bereich der üblichen Zahnbehandlung ist es gerade erklärtes Ziel die vorhandenen okklusalen Verhältnisse zu belassen wie sie sind.
Erst aber in der Menge an Behandlungen, in denen es gerade Behandlungsziel mist die vorhandenen okklusalen Verhältnisse zu verändern und letztendlich zu verbessern, entstehen die Erfahrungen, die letzten Endes dazu führen, trotz vielfach fehlender objektiver Messmöglichkeiten am Ende zu einem guten Behandlungsergebnis zu kommen. Hierbei ist nicht immer im Vorwege klar, ob das Behandlungsergebnis exakt den Planungen der Instrumentellen Okklusionsanalyse entspricht.
Ein bißchen ist es wie beim Bauen. Am Ende entspricht der fertige und funktionsfähige Bau auch nie den planerischen Vorgaben und dennoch ist der fertige Bau ein erfolgreiches Ergebnis.
Deshalb wird auch eines Tages der Berliner Flughafen fertig werden, ebenso wie die Elbphilharmonie, weil letzten Endes jedes Problem lösbar ist, man weiß nur eben nicht immer bereits im Vorwege mit welchem Aufwand.
Dabei glauben nur unbeteiligte Laien, die selbst nicht in Verantwortung stehen, alles sei immer bereits im Vorwege zu ergründen und bis ins letzte Detail zu klären.
Entscheiden für den Patienten ist am Ende das Ergebnis und die Beseitigung/Linderung der funktionellen Beschwerden. Sache des Behandlers ist es den Patienten durch die hier nur in Teilen beschriebenen Unwägbarkeiten zu lotsen.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir auch zu den aktuellen Fake News Stellung nehmen, die durch die vermeintliche Fachwelt geistern, man könne funktionstherapeutische Rekonstruktionen minimalinvasiv und mit 0,5 Millimeter dicken Keramiken lösen.
Wie man in einer 0,5 Millimeter dicken Keramik ein ca. 1,5 bis 2,0 Millimeter hohes okklusales Höckerfissurenrelief unterbringen will, bleibt genauso unerklärlich, wie derart dünne Konstruktionen unter Gewährleistungsansprüchen eingeklebt werden sollen, wenn schon die Hersteller der Keramiken in Belastungsbereichen minimale Materialstärken von 2.0 Millimetern vorgeben, unterhalb derer die keramischen Materialien eine ungenügende materielle Belastbarkeit zeigen. Vermutlich ist das besagten Kollegen nicht bekannt.
Wie derartige Facetten dann noch passgenau auf glatten und runden Zähnen eindeutig platziert werden sollen, um eine Okklusion im Bereich weniger 1/1000 Millimeter zu verschlüsseln ist kein Geheimnis, sondern schlichtweg technisch nicht möglich.
Die Wahrheit ist die, dass Patienten, die angeblich minimalinvasiv behandelt werden könnten gar keiner zahnärztlichen Behandlung bedürfen! Das ist die einzige Wahrheit hinter diesen "Alternativen Fakten"!
Diese vermeintlichen "Neuigkeiten" führen nur einmal zu einer zunehmenden Unseriosität im Bereich CMD und dienen in ihrer vermeintlichen "Sensation" bestenfalls dem Darstellungsbedürfnis der Protagonisten dieser Pseudoinnovationen, aber nicht den zu lösenden Problemen des CMD Patienten.
Die Versorgung der Frontzähne war im ursprünglichen Sinne "minimalinvasiv" geplant. Die Behandlungsrealität war nur die, wie häufig üblich: Zwischen den Frontzähnen lag approximale Karies vor. Dis muss zwangsläufig entfernt werden, also wurde es im Bereich der Oberkieferfrontzähne nichts mit "minimalinvasiv". Ein weiteres Problem besteht in dem grauen Zahn 12, infolge einer langjährigen Wurzelkanalbehandlung dunkel verfärbt.
Eine ästhetisch optimierte Vollkeramik an Zahn 12 wird nicht möglich sein, da ansonsten der dunkelgraue Zahn durch die Keramik durchschimmern wird. An den anderen Zähnen hingegen wird dies möglich sein. Die optische Abstimmung von hochästhetischen keramischen Versorgungen an 10 Frontzähnen und der Notwendigkeit einer opak abdeckenden Keramik an Zahn 12 wird die Zahntechnikermeisterin noch vor Probleme stellen.