Patientin aus dem Münsterland nach der ersten Nacht
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Die Patientin ist seit gestern Abend vollkommen beschwerdefrei. Beschwerdelevel: 0.
Heute Morgen hat die Patientin den Aufbissbehelf zum Frühstücken heraus genommen. Sofort steigt der Beschwerdelevel auf: 4
Es erfolgen umfangreiche Besprechungen der weiteren Vorgehensweise.
Es kommt heraus, dass die Patientin in der kieferorthopädischen Erwachsenenbehandlung viermal im Jahr zur Professionellen Zahnreinigung war.
Dann war die Patientin auch an der Universitätsklinik in Münster. Man habe dort keine Erklärung für die vorliegenden Beschwerden gehabt. Es liefe eher in Richtung einer psychosomatischen Erkrankung.
In der Gesamtschau des Falles kommt man immer mehr zu der Auffassung, dass hier in der Vergangenheit etwas grundlegend falsch gelaufen ist, das Ganze in der Annahme, die Angaben der Patientin stimmen. Ob es möglich ist alle diese Probleme behandlungstechnisch zu lösen, wird noch zu klären sein, denn letzten Endes ist die Patientin gesetzlich krankenversichert, ohne eine Zusatzversicherung.
In jedem Fall wird auch in einem derartigen Fall deutlich, dass es ohne umfangreiche Vordiagnostik nicht möglich ist, auch nur halbwegs konkrete Angaben zu den Kosten einer möglichen Funktionstherapie abzugeben.
Inzwischen hat sich der Beschwerdelevel wieder etwas gesteigert, ist aber deutlich besser, als sonst.
Hauptproblem, das jetzt gelöst werden muss: Die Vorstellungen der Patientin.
Es werden alte Modelle herausgeholt, an denen dargelegt wird, wie es damals war, als noch keine funktionellen Beschwerden vorlagen.
Das Ganze verbunden mit der Intention, wenn es heute wieder so wäre wie damals.
Dabei muss man davon ausgehen, dass der Biss der Patientin auch damals schon nicht stimmte und es kaum Sinn machen würde nur einen anderen falschen Biss herstellen zu wollen, mit dem die Patientin vielleicht damals klar kam, aber heute vermutlich auch nicht mehr klar kommen würde.
Dann kommt der Killersatz: "Ich laufe schon seit 5 Jahren mit diesen Beschwerden herum und habe den Ärzten vertraut und bin nur enttäuscht worden!" "Nun vertraue ich keinem Arzt mehr!"
Alles nachvollziehbar, was die Patientin da schildert.
Aber so wenig es möglich ist, aus heutiger Sicht zu erklären, warum frühere Ärzte getan haben, was sie getan haben, oder eben auch nicht, so kontraproduktiv ist es, wenn die Patientin erklärt, sie könne kein Vertrauen mehr aufbauen.
Schwierig, schwierig, zwar alles nachvollziehbar und verständlich. Aber es bleibt eben nicht aus, dass man das Gefühl hat gegen eine Wand zu reden.
Man kann nur hoffen, dass der Aufbissbehelf das bewirkt, was Worte im Moment nicht vermögen: Vertrauen aufzubauen.
Auch in diesem Fall zeigt sich, dass Patienten, nach derartigen Erfahrungen, regelrechte Wunderheilungen einfordern, die realistisch nicht zu erbringen sind.
Im Moment ist die Lage unklar! Zumindest sagt die Patientin, dass es ihr besser ginge, als sonst um diese Uhrzeit. Wenigstens ein kleines Licht am Ende des Tunnels.
Letzten Endes kann man hier nach 24 Stunden feststellen, dass es viele Widerstände zu überwinden gibt und ein Großteil der Arbeitskraft dafür verwendet werden muss Vorstellungen der Patientin abzuarbeiten.
Dabei ist es wenig tröstlich, dass es immer die gleichen Argumente sind, mit denen man konfrontiert wird.
Niemand kennt den Körper so gut wie der Patient. Für den steht fest, dass dieser und jener Zusammenhang so bestehen müsse. Vertrauen müsse sich der neue Arzt erst erarbeiten und sich dafür die Kritik an den alten Ärzten zumessen lassen. Dass es dann auch noch wirtschaftliche Überlegungen gibt, die das Problem vervollkommnen schließt den Kreis nur.
Wir werden sehen, wie der Fall sich weiter entwickeln wird.