Patientin aus Bad Segeberg erhält einen Aufbissbehelf
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Die Patientin erhält den kurzfristig hergestellten Aufbissbehelf eingegliedert.
Ein kurzer Nachtrag in fachlicher Sache.
Die Patientin zeigte im Rahmen der gestrigen Untersuchung einen Werbeprospekt eines elektronischen Registriersystems, so wie man das früher von der Firma DIR oder IPR oder ähnlichen.
Das Ganze im Zusammenhang mit der von der Patientin beklagten Verdachtsdiagnose einer CMD, mit der sie schon andere Behandler aufgesucht hatte.
Jedenfalls hatte die Patientin ein unbestimmtes Gefühl, als sie diesen Prospekt gelesen hatte, weil ihr erstens nicht einleuchtete, was man ihr da an medizinischen Dienstleistungen verkaufen wollte und zum anderen, weil sie in diesem Internetauftritt gelesen hatte, was es zu diesen elektronischen Stützstiftregistriersystemen zu sagen gibt.
Die Firma DIR hatte, es muss 2019 gewesen sein, sehr umfangreich, über eine Rechtsanwaltskanzlei, versucht die öffentliche Meinung über deren Produkte im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Sanktion zu unterbinden. Ganz konkret mit einer Abmahnung gegnüber dem Verfasser dieses Blogs.
Allein das sagt ja schon genug aus, über die Einstellung des Vertreibers und dem Vertrauen in das eigene Registriersystem. Statt sich mit den wissenschaftlichen Bedenken und der medizinischen Kritik auseinanderzusetzen, war man dort wohl eher zu der Meinung gelangt, es sei effektiver, kritische Aussagen über diese elektronischen Stützstiftregistriersysteme zu unterbinden, statt sich damit auseinander zu setzen.
Nun sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt, weil man wohl davon ausgehen muss, dass die dortigen Protagonisten und deren Anwälte möglicherweise immer wieder einmal argwöhnisch diesen Internetauftritt beobachten, dass wir die Entwicklungen dieser Gerätschaften nicht verfolgen, weil sie für die hiesige Praxis aus fachlichen Gründen nicht in Frage kommen.
Das war übrigens in dem damaligen Anwaltsschreiben Standard, dass man davon ausging ein Zahnarzt, der eine Meinung über diese Stützstiftregistriersystem habe, müsse permanent verfolgen, mit welchen neuen, marketingtechnischen Gags der Hersteller sein Gerät aufzubessern versucht. Also: Wir haben keine Ahnung, wie sich diese Systeme seit 2019 weiterentwickelt habe. Daher beziehen sich alle Aussagen auf den technischen Stand von 2019. Das prinzipielle Problem besteht allerdings darin, dass dem Stützstiftregistriersystem systemimmanente Defizite innewohnen, die nur dadurch zu lösen wären, indem man das grundsätzliche System der Stützstiftregistrierung verlässt.
Wir gehen daher weiter von dem Wissensstand aus, den wir 2019 hatten und davon, dass es sich nach wie vor um elektronische Stützstiftregistriersystem handelt. Und die wiederum, das musste zumindest die Firma DIR 2019 hinnehmen, haben es inzwischen sogar in der Wissenschaft zu einer gewissen Berühmtheit gebracht, nachdem in einer sogenannten s2K Leitlinie diesen elektronischen Registriersystem, zumindest für die Indikationen, die man in der Diagnostik und Therapie nicht geeignet:
Zitat aus der S2K-Leitlinie "Instrumentelle Funktionsanalyse":
"Ebenso ist die für die Übertragung in den Artikulator bei einigen Systemen berechnete und von der Pfeilwinkelspitze sowie auch von der maximalen Interkuspidation abweichende Platzierung des Unterkiefers wissenschaftlich bisher nicht belegt"
...
"Elektronische Stützstift-Registrier-Verfahren sind lediglich computergestützte Varianten, die die Vor- und
Nachteile der Stützstift-Methode nicht grundsätzlich verändern. Eine kondyläre Diagnostik ist mit diesen Verfahren durch das Prinzip bedingt nur mit erheblichen Einschränkungen möglich und ist derzeit nicht belegt."
Lange Rede kurzer Sinn. Die Systeme messen zwar etwas, nur muss sich der Behandler darüber im Klaren sein, dass es für das, was da gemessen wird keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse gibt.
Selbstverständlich kann man diese elektronischen Stützstiftregistriersystem nutzen, um beispielsweise sogenannte Knirscherschienen herzustellen. Ehrlicherweise muss man dann allerdings ergänzen, dass man Knirschschienen auch ohne diesen zusätzlichen Aufwand, der in aller Regel honoriert werden muss, herstellen kann. Mit Knirscherschienen ist es aber wiederum nicht möglich den Nachweis der Kausalität zwischen Störungen der Okklusion und beklagten Beschwerden zu führen.
Ganz anders sieht das in der Anwendung in der Totalprothetik aus, wo Stützstiftregistriersysteme ihren ganz festen Platz in der Diagnostik und Therapie besitzen.
Das Problem der Stützstiftregistriersysteme liegt also nicht primär darin, dass es für das Verfahren keine medizinische Indikation gäbe. Das, zumindest bisherige Problem, und der Verfasser ist hier eben nicht auf dem aktuellen marketingtechnischen Stand, war aber zumindest, dass Anwendungen des Systems propagiert wurden, die diese Stützstiftregistriersystem prinzipbedingt nicht zu erfüllen vermögen.
Die fachliche Stellungnahme kommt im Übrigen nicht aus Kiel sondern von:
Federführende Fachgesellschaften:
Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT)
Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK)
Beteiligung weiterer Fachgesellschaften/ Organisationen:
Arbeitskreis Psychologie und Psychosomatik in der DGZMK (AKPP)
Bundeszahnärztekammer (BZÄK)
Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde (DAZ)
Deutsche Gesellschaft für ästhetische Zahnmedizin (DGÄZ)
Deutsche Gesellschaft für computergestützte Zahnheilkunde (DGCZ)
Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG)
Deutsche Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien (DGPro)
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV)
Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI)
Verband medizinischer Fachberufe (VMF)