Notfallpatientin aus Kiel
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Das Problem des Falles besteht weniger darin, dass ein Implantat entfernt werden musste, sondern darin, was man nun tut.
An diesem Fall wird deutlich was der Verlust eines Zahnes oder Implantates in einem vorgeschädigten, wenn auch gut versorgten Gebisses bedeuten kann.
Sehen wir uns die verschiedenen Aspekte des Falles an:
Das Implantat wurde im Jahr 2016 gesetzt, heilte unproblematisch ein und wurde im Februar mit einer Krone versorgt!
Was ist danach passiert?
Die Patientin war bis vor wenigen Tagen vollkommen beschwerdefrei!
Zum Zeitpunkt im Februar war das Implantat fest, klinisch reaktionslos und das Zahnfleisch entzündungsfrei.
Betrachtet man das Röntgenbild vom heutigen Tag fällt auf, dass der Zahn 47 eine periapikale Aufhellung an beiden Wurzelspitzen aufweist. Der Zahn ist entzündet!
Chronisch entzündet, denn die Patientin hat an diesem Zahn keinerlei Beschwerden, geschweige denn Schmerzen. Auch nicht in den vergangenen Monaten. Der Zahn selbst ist seit 17 Jahren mit einer Krone versorgt, wie alle anderen Zähne ebenfalls.
Vermutlich hat sich der Zahnnerv in Zahn 47 bereits vor längerer Zeit entzündet und ist langsam uns schmerzfrei abgestorben. Genau das ist das Kennzeichen einer Chronischen Entzündung. Es stirbt etwas ab und das tut nicht weh.
Diese unterschwellige Entzündung kann nun dazu führen, dass sich im Nachbarbereich der Knochen entzündet und langsam entmineralisiert. Im Bereich des Implantates 46 war kein Augmentat aufgebracht, also künstlicher Knochen, sondern das Implantat wurde in ortsständigen, entzündungsfreien Knochen inseriert.
Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen nun?
Das Implantat mit Krone 46 wurde heute entfernt.
Ein alter Aufbissbehelf soll wieder in Funktion gesetzt werden, damit eine Zahnkippung/wanderung und eine Elongation eines Gegenkieferzahnes verhindert werden soll.
Der Wundbereich 46 soll ausheilen. Das wird er aber nicht, solange Zahn 47 entzündet ist.
Also wird kurzfristig eine Wurzelkanalbehandlung an Zahn 47 durchgeführt und geprüft, ob Zahn 45 aus Sicherheitsgründen ebenfalls wurzelkanalbehandelt werden sollte, um einen entzündungsfreien Bereich von 45 bis 47 zu schaffen. Eine Möglichkeit der objektiven Überprüfung dieser Entzündungsfreiheit existiert nicht!
Danach soll der Bereich über ein laborgefertigtes Dauerprovisorium für einen Zeitraum von ca. 6 Monaten stabilisiert werden, bevor im Sinne einer Reevaluation geprüft wird, ob zum einen die beiden Zähne entzündungsfrei sind und sich der Knochen in regio 46 erholt hat.
Dann wird entschieden, ob erneut ein Einzelzahnimplantat gesetzt wird.
Die Überlegungen sind dabei folgende:
Die Patientin hat noch eine statistische Lebenserwartung von ca. 35 Jahren. Die Patientin möchte gerne auch weiterhin mit einem festsitzenden Zahnersatz versorgt werden, der ihr das Gefühl vermittelt, das seien ihre eigenen Zähne, die sie im Mund hat.
Das Problem zahnloser Kieferanteile besteht darin, dass der Knochen im Verlauf der Zeit immer weiter in sich zusammenfällt und irgendwann nicht mehr genügend Knochen zur Verfügung steht, um ein Implantat zu setzen. Eine Zahnwurzel im Kochen oder ein Implantat im Knochen verhindert dieses Zusammenfallen des Kieferknochens.
Bei 35 Jahren Restlebenszeiterwartung macht es Sinn sich dieses Problem vor Augen zu führen.
Man kann daher zum einen in die regio 46 ein Implantat setzen und die beiden Zähne 45 und 47 neu überkronen. Das ist dann allerdings der maximal mögliche Aufwand.
Kostengünstiger wäre es regio 46 aufzugeben und eine Brückenversorgung auf Zahn 45 und 47 einzugliedern. Problem: Wenn es nachfolgend an Zahn 45 oder Zahn 47 zu einem Problem kommt, muss man davon ausgehen, dass der Knochenbereich 46 für eine Implantation nicht mehr zur Verfügung stehen wird.
Denkbar wäre für diesen Fall, dass man dann Zahn 45 und 47 entfernt und zwei Implantate setzt, bevor der Knochen in sich zusammen gefallen ist. Die denkbare Variante eine Brücke auf einem Implantat und einem natürlichen Zahn zu setzen ist im Seitenzahnbereich keine gute Variante, denn ein Implantat ist im Knochen unbeweglich eingewachsen, ein natürlicher Zahn im Knochen beweglich. Was es für ein Implantat bedeutet, wenn ein beweglicher Zahn über den Hebelarm einer Brückenversorgung unentwegt an dem festgewachsenen Implantat „rüttelt“, kann man sich vorstellen.
Wie man sieht gibt es viele Überlegungen, die man in einer derartigen Sache anstellen kann. Hinzu kommen wirtschaftliche Überlegungen und Überlegungen was der Patient gerne möchte und ein Gefühl dafür, was die Patientin wohl in 20 Jahren möchte.
Man ist selbst bei einem derart lokalisierten Problem gut beraten sich Gedanken zu machen, denn heute werden die Weichen für Entwicklungen gestellt, die in 20 Jahren nur noch schwer wieder umgestellt werden können.
Es macht daher Sinn sich heute Gedanken zu machen, über Probleme und Entwicklungen, die vielleicht erst in 20 Jahren auftreten könnten. Entweder versucht man bereits heute bestimmte Entwicklungen zu verhindern, oder aber zumindest einen Plan für den Augenblick zu haben, sollten diese dann auftreten.
Dann macht es in einem derartigen Fall auch Sinn sich einmal zu überlegen, was im dritten Quadranten möglicherweise alles passieren könnte, und wie man dann mit diesem Problem umgeht. Denn wurzelkanalbehandelte Zähne können lange halten, in der Regel aber selten ewig!
Hier ist nächster Termin: Wurzelkanalbehandlung Zahn 47!