Kieler Patientin zur Kontrolle Aufbissbehelf
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An diesem Behandlungsfall einer jungen Patientin kann man das gesamte Dilemma der CMD Behandlung darstellen.
Inklusive beteiligter Ärzte, die zu allem eine Meinung haben, nur leider keine Erfahrung mit derartigen Behandlungsfällen.
Nun erst einmal zur Rekapitulation in Kurzform:
Die Patientin stellt sich mit vermuteten funktionellen Beschwerden vor und erhalt einen Aufbissbehelf.
Sonderbarerweise passiert nach dessen Eingliederung: Nichts.
Die Zeit vergeht, die Beschwerden bleiben, die Patientin erhält einen neuen Aufbissbehelf.
Erneut passiert, nach dessen Eingliederung: Nichts!
Nun auf einmal kommt heraus: Die Patientin hat mit dem Aufbissbehelf starke Schmerzen im rechten vorderen Unterkieferfrontzahnbereich, und.... wie sich dann auf Nachfrage herausstellt, hatte sie diese Beschwerden auch schon bereits die letzten drei Aufbissbehelfe.
Das Gebiss der Patientin ist praktisch füllungs- und Kariesfrei!!!
Eine röntgenologische Untersuchung ergibt: An dem Frontzahn liegt eine sogenannte periapikale Aufhellung vor. Ein klares Indiz für eine Entzündung des Zahnnerven.
Wodurch hervorgerufen, da der Zahn karies- und füllungsfrei ist? Keine Ahnung. Niemand weiß etwas!
Die Patientin wird beraten und entschließt sich glücklicherweise einen anderen Behandler zu konsultieren.
Dest erste Reaktion? Das kann nicht sein! Dafür sind Sie viel zu jung und darüber hinaus haben Sie keine Karies und keine Füllung im Mund!
Die Patientin zeigt dem Zahnarzt daraufhin das mitgegebene Röntgenbild! Der Zahnarzt ist verblüfft und führt nachfolgend eine Wurzelkanalbehandlung durch.
Der Zahnnerv wird entfernt, gesäubert und mit Medikamenten gefüllt.
Über Monate!
Was passiert?
Nichts! Die Beschwerden bleiben, die Patientin kann den Aufbissbehelf nicht tragen. Der Zahn ist nicht ruhig zu bekommen.
Nach Monaten des Medikamentenwechsels entschließt sich der Zahnarzt die Patientin zu einem Kieferchirurgen zu schicken.
Dessen Reaktion?
Das kann doch gar nicht sein. Bein einer Patientin in ihrem Alter und keine Füllung und keine Karies im Mund.
Es folgen weitere Anmerkungen des Kieferchirurgen, der doppelt approbiert ist und überhaupt nicht verstehe kann, warum bei der Patientin eine Wurzelkanalbehandlung an einem karies- und füllungsfreien Unterkieferfrontzahn durchgeführt wurde.
Der geneigte Leser erkennt vielleicht, warum der Verfasser dieses Berichts froh ist, dass die Patientin einen anderen Behandler zur Behandlung ihrer schmerzhaften Unterkieferfront aufgesucht hatte!
Das ganze Problem des Falles geht aber noch viel weiter.
Bisher hat die Patientin auch nach dem kieferchirurgischen Eingriff immer noch starke Schmerzen und zumindest der Verfasser hat nicht wenige Zweifel daran, dass diese Schmerzen auch nicht verschwinden werden.
Warum?
Weil der Verdacht besteht, dass hier möglicherweise nicht nur ein Frontzahn eine chronische Pulpitis hat, sondern mehrere Zähne.
Wie man auf eine solche Idee kommt?
Weil man das schon in anderen Fällen erlebt hat, was deshalb noch lange nicht erklärt warum und wodurch diese Entzündungen entstehen.
Denken wir mal weiter.
Der Zahn kann nicht erhalten bleiben und muss entfernt werden und die Beschwerden bestehen weiterhin. Dann sitzen wir mit noch verbliebenen 5 Unterkieferfrontzähnen da, die alle karies- und entzündungsfrei sind. Nur leider hat die Patientin dann immer noch Beschwerden, von denen Niemand wirklich weiß, wodurch diese verursacht werden.
Was will man dann tun?
Man kann sich hinstellen und das Thema auf die Psyche der Patientin schieben! Davon verschwinden nur leider nicht die beschriebenen Beschwerden.
Dann kann man beginnen den ersten der anderen karies- und füllungsfreien Zähne ebenfalls wurzelkanalzubehandeln, ohne auch nur im Ansatz wissen zu können, ob diese Maßnahme zum Erfolg führen wird.
Jetzt beginnt ein ganz neues Problem: Der Patient muss erst mal einen Behandler finden, der bereit ist diese "Drecksarbeit" zu erledigen, denn wenn das nicht klappt, weiß natürlich jeder Nichtbeteiligte, dass das ja eh nicht klappen konnte.
Und wenn es klappt: Tja, Glück gehabt.
Das sind ganz extreme Behandlungssituationen, weil alle gängigen Behandlungsmuster versagen. Das wäre alles nicht schlimm, aber.... der Patient hat Schmerzen und erwartet, dass etwas unternommen wird.
Wir drücken der Patientin alle Daumen, dass dieser Behandlungsfall zu einem guten Ende kommt. Überzeugt sind wir allerdings nicht.
Was sind die weiteren Probleme?
Wenn es nicht gelingt die Patientin durch die bisherigen Maßnahmen beschwerdefrei zu stellen kommen folgende Fragen auf:
- Gibt es weitere Zähne, die ebenfalls eine Chronische Pulpitis aufweisen und bisher nicht erkannt worden sind?
- Wenn es zur Entfernung des Unterkieferfrontzahnes nach nicht erfolgreicher Wurzelspitzenresektion kommt, was kommt danach?
2.a. Unterkieferfrontzähne sind so schmal, dass es keinen Einzelzahnimplantatersatz gibt. Heißt: Man kriegt in die schmale Lücke kein Implantat rein. Bedeutet: Man muss mindestens einen zweiten Unterkieferfrontzahn entfernen, um ein Implantat einbringen zu können, auf das dann zwei Kronen aufgebracht werden müssten. Problem? Sieht komisch aus. Erst wenn man zwei weitere Unterkieferfrontzähne entfernt erhält man eine Lücke, in die man zwei Implantate inserieren könnte und dann eine Brücke. Wenn man den Gedanken hat kann man auch gleich alle vier Unterkieferfrontzähne entfernen, um zwei Implantate zu setzen und dann eine implantatgestützte Brückenversorgung.
Und das alles bei einer Anfang zwanzigjährigen Patientin mit einem karies- und füllungsfreien Gebiss.
Da muss ein Behandler dann schon ein ganzes breites Kreuz haben, um einen Patienten zu begleiten, denn machen wir uns eines nicht vor: Alle anderen "Fachkundigen" wissen zwar nicht, was man hier machen könnte, um das Problem der Patientin zu lösen. Aber genauso sicher wissen die "Fachkundigen", dass die hier beschrieben Wege alle mit Sicherheit falsch sind.
Was wir dazu denken? Zum Glück stehen wir, zumindest aktuell, nicht in der Verantwortung und beraten die Patientin nur, aber ein bisschen Angst haben wir schon, dass der Fall wie ein Bumerang irgendwann wieder hier bei uns landet.