Kieler CMD Patient zur Besprechung der Instrumentellen Okklusionsanalyse
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Ein durchaus kurioser Fall und so bisher auch nicht vorgekommen.
Der Patient wurde vor ca. 20 Jahren umfangreich funktionstherapeutisch rekonstruiert und danach engmaschig in einem Recallsystem reevaluiert.
Seit ca. 10 Jahren leidet der Patient an einer Schlafapnoe und einem Herzkammerflimmern, verbunden mit der dauerhaften Gefahr eines Herzinfarktes.
Überdruckbeatmung im Schlaf toleriert der Patient schlecht.
Also wurde der Patient von einer Zahnärztin auf eine sogenannte Protrusionsschiene, oder auch Schnarcherschiene eingestellt.
Das Prinzip dieser Schienen besteht darin, dass sowohl im Oberkiefer, als auch im Unterkiefer eine Schiene eingegliedert wird und nachdem der Patient den Unterkiefer möglichst maximal noch vorne schiebt, dann die Unterkieferschiene in die Oberkieferschiene eingehakt wird. Das wiederum führt dazu, dass der Unterkiefer im Vergleich zum Oberkiefer nach vorne gebracht wird, was den Zungengrund anhebt und dann tatsächlich zu einer Verbesserung der Schlafapnoe und einer verminderten Schnarchtätigkeit führt.
Das Problem ist dabei nur, dass derartige Schienen bei Patienten mit Funktionsstörungen des Kauorgans nicht eingesetzt werden sollen.
Hinzu kommt, dass der Patient, bedingt durch die Coronakrise die Zahnärztin, die die Apnoeschienen eingegliedert hat, seit fast zwei Jahren nicht mehr aufgesucht hatte. Es kommt noch weiter hinzu, dass der Patient selbsttätig den Grad der Protrusion, der mit Schrauben eingestellt hatte, immer weiter protrudiert hatte, je nachdem, ob der gewünschte Effekt eingetreten ist. Etwas anders formuliert: Der Patient hat sich mit dem Gerät selbst behandelt, weil das auch von Seiten der parallel behandelnden Zahnärztin so gewollt war.
Nun hört es sich zwar auf den ersten Blick einfach an, dass es ja noch die Möglichkeit der sogenannten nächtlichen Überdruckbeatmung,mittels einer Maske gibt, in der Realität ist es aber nicht so einfach, denn angesichts der Unverträglichkeit der nächtlichen Überdruckbeatmung bei diesem Patienten, gibt es schlicht weg nichts anderes, was man dem Patienten aus schlafapnoetischer Sicht, anzubieten vermochte.
Also gibt es im Prinzip folgende Möglichkeiten:
1.Patient nicht mit einer Protrusionsschiene behandeln und in Kauf nehmen, dass der Patient schlafapnoetisch bedingt einen Herzinfarkt erfährt.
2. Eingliederung einer Protrusionsschiene auch bei bestehender Funktionsstörung des Kauorgans mit der Gefahr, dass das passiert, was hier passiert ist. Der gesamte Biss des Patienten hat sich derart negativ entwickelt, dass der Patient, bei geschlossenem Mund, nur noch Kontakt auf den Frontzähnen hat und die Seitenzähne mehrere Millimeter in der Luft hängen. Das aber wiederum führt zu einer eingeschränkten Kaufunktion und vor allem zu zunehmenden funktionellen Beschwerden einer fehlbelasteten Kiefermuskulatur und fehlbelasteter Kiefergelenke.
Lange Rede kurzer Sinn: So kann es nicht bleiben und es wird jetzt ein Behandlungskonzept entwickelt, das beiden Erkrankungen gerecht zu werden vermag.
Heute wurde ein funktionstherapeutisches Behandlungskonzept besprochen, das wiederum von dem Fall eines anderen Patienten profitiert, der heute ebenfalls zur Behandlung in Kiel War. Dem Patienten aus Peine, bei dem erstmalig, während der Versorgungsphase mit Laborgefertigten Dauerprovisorien, nach jedem neuen Versorgungsschritt in kürzester Zeit ein neuer Aufbissbehelf hergestellt und eingegliedert werden musste.
Genau das muss bei diesem Patienten ebenfalls geschehen, nur dass in diesem Fall dann jeweils zwei Aufbissbehelfe, einer für den Oberkiefer und der andere für den Unterkiefer hergestellt und eingegliedert werden muss, um das Problem der Schlafapnoe zu lösen.
Eine extrem aufwändige Vorgehensweise, die aber dadurch gerechtfertigt ist, weil es kein behandlungstechnisches Risiko dahingehend geben darf, dass der Patient innerhalb der zahnärztlich rekonstruktiven Versorgungsphase, die sich irgendwo in einem Zeitraum zwischen 8 und 12 Wochen abspielen dürfte, schlafapnoebedingt einen Herzinfarkt erleidet.
Deutliche erkennbar: Mehrere Millimeter Luft zwischen den Seitenzähnen als Ergebnis langjähriger Protrusionsschienenbehandlung bei Schlafapnoe