Gedanken über eine Anfang 20 jährige CMD-Patientin und die Entwicklungen in der Medizin
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In der vergangenen Woche hatten wir eine neue Patientin, über die wir noch Tage später sprechen.
Was war passiert?
Die Patientin kam zu uns, konnte den Mund nur noch sehr eingeschränkt öffnen, damit auch nur noch eingeschränkt essen und musste sich regelmäßig den rechten Kieferast mit der rechten Hand manipulieren, um den Mund überhaupt noch öffnen zu können. Schon optisch eine Herausforderung.
Es erfolgte die ausgedehnte funktionelle Erstuntersuchung und der Hinweis, dass man nun mit einem adjustierten Aufbissbshelf in die Differentialdiagnostik gehen müsste, um zu klären, ob denn bei der Patientin eine CMD vorläge. Die geradezu typischen Probleme derartiger Fälle, hier eine gestörte dynamische Okklusion lagen vor. Damit war zwar noch lange nichts bewiesen, aber man hatte einen konkreten Ansatzpunkt.
So einfach, wie bekannt und zigmal in dieser Praxis aufs Neue belegt und bestätigt.
Nun, zum Erstaunen aller Beteiligten verließ die Patientin die Praxis und ward auch nicht wiedergesehen.
Es ging aber bisher nicht einmal um die Frage einer möglichen Therapie, sondern ausschließlich um diagnostische Abklärungen, ob denn bei der Patientin eine CMD vorliegt und wenn ja, wie man das Problem lösen könnte.
So weit sind wir aber gar nicht gekommen und eine spontane Wunderheilung konnte leider nicht erbracht werden.
Nach eigener Einschätzung der Patientin bestünde ein Zusammenhang zu einer, wenige Jahre zuvor, durchgeführten kieferorthopädischen Behandlung. Das wird man nicht nachweisen können, aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht durchaus.
Nun versuchen die doch erheblich jüngeren Mitrarbeiterinnen ihrem Chef klar zu machen, was da wohl passiert sein könnte, und warum die patientin einfach gegangen ist..
In der Welt des "Alten weißen Mannes", zu denen sich der Verfasser zählt, ging ein Patient mit seinen Beschwerden zu einem Arzt, den er für spezialisiert hielt.
Der hat dann, kraft seiner berufsbedingten Expertise dargelegt, was man tun könne um das Problem zu lösen und der Patient hat dann, unter den angegebenen Möglichkeiten, eine Wahl getroffen.
So weit, so gut hat das über Jahrzehnte funktioniert.
Heute scheint das aber anders zu laufen, was dem inzwischen noch "Älterem weißen Mann" kaum vorstellbar erscheint.
Denn der Patient hat heute den Anspruch, dass er auf Augenhöhe mitreden möchte. Und zwar auf fachlicher Augenhöhe, denn es gibt ja inzwischen und zum Glück Dr. Google.
Was zählen da schon jahrzehntelange Berufserfahrung und Expertise des Arztes.
Heute informiert sich der Patient und zwar bevor er zum ausgesuchten Arzt geht, im Internet.
Dieser Patient glaubt dann allen Ernstes:
1. Er könne nach Studium des Internets auf fachlicher Augenhöhe mitreden, am besten noch durch Influencer beraten
2. Die im Internet angebotenen Lösungsmöglichkeiten stünden alle gleichberechtigt nebeneinander.
Man müsse also unter den vorhandenen Wahlmöglichkeiten einfach nur die aussuchen, die diesem Patienten am besten in dessen Weltbild passe.
Und nun geht die Suche los. Die Suche nach dem Arzt, der bereit ist die Vorstellungen des Patienten zu erfüllen. Denn der kann ja auf fachlicher Augenhähe voll mitreden und wenn der Arzt dessen Wünsche nicht zu erfüllen bereit sei, dann geht es eben zum nächsten Arzt, oder inzwischen auch zu alternativen Gesundheitsdienstleistern
Natürlich funktioniert das Ganze nicht, aber das dauert erst einmal eine Zeit, bis der Patient das herausfindet. Und selbst wenn er es irgendwann herausfindet, ändert das dann auch nichts mehr.
Dieser Prozess führt dann aber nicht zwangsläufig etwa dazu, dass besagter Patient hinterher geläutert den vermuteten Experten aufsucht und sich eingesteht, dass der erstbeschrittene Weg vielleicht doch nicht ganz der richtige Weg gewesen sei.
Nein, jetzt passiert ja noch folgendes:
Aufgrund der erlittenen Enttäuschung steigert sich das Misstrauen gegen den Arzt, der klare Vorgaben und Ansagen macht, noch weiter.
Ob das in diesem geschilderten Fall tatsächlich vorliegt, weiß natürlich kein Mensch.
Was man in diesem Fall allerdings zu sagen vermag, dass die Patientin im Vorwege schon mehrere Behandler und auch Schienen erhalten hatte, ohne dass das zu irgendeiner greifbaren Erkenntnis geführt hätte.
Die Patientin ist gerade einmal Angfang 20 und kriegt schon heute ihren Mund nicht mehr richtig auf. Da muss man kein Prophet sein, um vorherzusagen, was in 5 Jahren sein dürfte. Die Erwerbsunfähigkeit der Patientin ist quasi vorprogrammiert und auf was für Ideen da noch "Fachleute" kommen dürften sollte man eher nicht gespannt sein.
Statt nun mit der Aufklärung des Problems zu beginnen, geht die Suche nach der "einzig wahren" Lösung" weiter.
Vielleicht war die Patientin einfach dadurch überfordert, dass der Arzt die Erwartung hatte, dass die Patientin eine Entscheidung fällen musste, ob sie denn nun bewiesen haben möchte, ob die von ihr beschriebenen Beschwerden tatsächlich die Folgen einer CMD darstellen. Wir leben ja inwzischen in einer Gesellschaft, in der alle Lebensrisiken an das Kollektiv überantwortet werden. Dabei steht eines fest: alles, was der Staat in Verantwortung nimmt, scheitert genauso regelmäßig.
Dabei ändert sich grundsätzlich nichts an dem in diesem Internetauftritt lange geschilderten.
Wir schreiben es immer wieder aufs Neue: Wir geben allen CMD-Patienten oder solchen, die glauben ein CMD-Patient zu sein, den gut gemienten Hinweis:
Versuchen Sie eine zielgerichtete Behandlung zu bekommen, so lange es noch Behandler gibt, die nicht nur reden, sondern auch belegte Fälle vorzuweisen haben.
CMD ist ein zahnärztliches Erkrankungbild, auch wenn Sie oftmals das Gefühl bekommen, dafür seien Physiotherapeuten, Osteopathen und andere Gesundheitsdienstleister veranwortlich.