Eine neue Patientin aus Ostholstein und was so alles schief läuft in der Zahnmedizin (Podcast)
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Eine neue Patientin stellt sich vor. Schon etwas fortgeschrittenes Aber, aber letztendlich, wie man heute so schön sagt: In der Blüte Ihres Lebens.
Vor ziemlich genau 10 Jahren hat sie unter anderem 6 Implantate im Oberkieferseitenzahnbereich von einem Kieferchirurgen erhalten, den man als qualitativ hochwertigen Behandler einschätzt.
Nun kommt die Patientin mit dem Problem, das sie oben im Frontzahnbereich habe und sich eine festsitzende Lösung wünschen würde, die doch möglichst lange der Zustand eines festsitzenden Zahnersatzes befriedigen möge.
Sie sei in den vergangenen zehn Jahren in einer Zahnarztpraxis betreut worden, eben auch mit einem Nachsorgesystem, habe aber irgendwie schon seit Jahren das Gefühl, da stimme etwas nicht.
Nun folgt eine erste Besprechung, weil der Fall ja nicht direkt als CMD Fall reinkommt, sondern unter einem ganz anderen Gesichtspunkt.
Es erfolgen also nicht die üblichen Erstuntersuchungen, sondern man nähert sich dem Thema über ein mitgebrachtes ein Jahr altes Röntgenbild an.
Und dann geht es los:
Es beginnt mit dem Problem der Patientin und deren sechs inzwischen lockeren Oberkieferfrontzähnen.
Die Inspektion der Bißverhältnisse deckt sich mit den Angaben der Patientin, dass sie schon ganz lange nicht mehr richtig beißen könne.
Nach relativ kurzer Zeit erfolgt eine Untersuchung dr sechs Implantate. Man findet überall tiefe Zahnfleischtaschen und was wesentlich schlimmer ist, mit einer Sonde vermag man auf den freiliegenden Schraubenwindungen der Implantate Musik zu erzeugen.
In letzter Konsequenz erklärt sich nun der Röntgenbefund, von dem man bis dahin gehofft hatte, dass es eben bei einem Röntgenbefund bleiben möge.
Alle sechs Implantate stehen nur noch bestenfalls zur Hälfte im Kieferknochen.
Nun hört man, dass die Patientin in der Vorgängerpraxis regelmäßig zu einem Recall war und fragt dann nach, ob das nicht einmal thematisiert worden sei.
Nein!
Stattdessen habe der Zahnarzt ihr aber einen Behandlungsplan für die sechs noch zu entfernenden Oberkieferfrontzähne vorgelegt, die dazu notwendigen Implantate sollte der Kieferchirirg setzen, der vor zehn Jahren die sechs Implantate im Oberkieferseitenzahnberiech gesetzt hatte, von denen kein einiges mehr richtig im Knochen steht.
Nun sitzt man da und denkt sich: Kann man schon verstehen, dass die Patientin das Gefühl hatte, da könne etwas nicht stimmen.
Was ist nun zu tun?
Erst einmal ist die gesetzlich krankenversicherte Patientin darüber aufzuklären, dass ihr Wunsch vermutlich zu erfüllen sein dürfte, gleichsam aber nicht im Rahmen einer Vertragsbehandlung.
Als nächstes folgen:
Funktionelle Erstuntersuchung
Danach vermutlich eine Instrumentelle Okklusionsanalyse
Behandlungsplanung: u.a.
Entfernung von sechs Oberkieferfrontzähnen,
Entfernung der Zähne 44 und 45
Dauerprovisorische Versorgungen für die Ausheilphase und Implantateinheilphase
Radikale parodontale Sanierung des erhaltungsfähigen Kauorgans
Implantatinsertionen
Nach Herstellung genügend notwendiger Fundamente: Einstellung einer physiologischen Bisslage mit Laborgefertigten Dauerprovisorien
Wartephase von 6 bis 9 Monaten
Abschließende definitive funktionstherapeutische Versorgung mit einem festsitzenden Zahnersatz
Als ultimativer Höhepunkt an technischen Schwierigkeiten dieses Falles darf die Glättung der freiliegenden Implantatschraubenwindungen benannt werden und es kommt noch besser: Die Versiegelung der erhaltenswerten Implantate und das nachfolgende Beschleifen der freiliegenden Implantatkörper und die direkte Versorgung des präparierten Implantataufbaus mit darauf sitzenden Kronen und Brücken. Richtig gelesen: Das kann man in derartigen Fällen machen.
Was man vermutlich nicht machen sollte ist die Entfernung von sechs Implantaten, verbunden mit enormen Knochenverluste, bei einem reduzierten Knochenangebot.
Es wurde abschließend noch ein aktuelles Röntgenbild erstellt und in Kürze beginnen die ersten konkreten Untersuchungen.
Der Zeitbedarf dieser Behandlung dürfte bei mindestens zwei Jahren liegen.
Das eigentliche Problem dieses Falles besteht aber darin, dass diese Frau zehn Jahre lang regelmäßig zu ihrem Behandler gegangen ist, der ihr vorgegaukelt hat alles dafür zu tun, dass ihr stomatognathes System erhalten würde und sich im Nchhinein heraus stellt, das nicht nur das, was sich in der Mundhöhle befindet stark angegriffen erscheint, sondern darüber hinaus in dieses "Trümmerfeld" hinein auch noch neue kostenaufwändige Versorgungen neu hinein installiert werden sollen.
Das ist sicherlich nicht der typische Behandlungsfall, aber eben doch einer, der in dieser, oder ähnlicher Form regelmäßig vorkommt.
Dabei ist der Patientin klar, dass ihr Wunsch nach einem weiteren festsitzenden Zahnersatz, auch vom zu betreibenden wirtschaftlichen Aufwand her, aufwendig anzustzen ist.
Was in derartigen Fällen offensichtlich und hier über indestens 10 Jahre schief läuft:
1. Dass der Behandler dem Patienten nicht die Wahrheit sagt
2. Dass der Behandler seine fachlichen Grenzen nicht kennt
3. Dass der Behandler trotz des eindeutig erkennbaren unbefriedigenden Behandlungsergebnisses dann auch noch neue, wirtschaftlich aufwändige Arbeiten installieren will.
Was das Ergebnis der kieferchirurgischen Implantatinsertion betrifft, muss man schon die Frage aufwerfen, ob 100% Implantate mit hochgradigem periimplantitischen Knochenabbau nach 10 Jahren, was letztendlich bedeutet, dass das schon vor vier, fünf, vielleicht noch mehr Jahren begonnen haben muss, wirklich als Erfolg zu werten sind.
Wohl eher nein. Welchen Sinn es dann macht, wenn der zahnärztliche Behandler, der das vermutlich seit 10 Jahren im regelmäßigen Recall mitbekommt, diese Patientin dann auch noch zur Neuimplantation dann wieder zu diesem Kieferchirurgen schicken will, erschließt sich nicht.
Hier können Sie auch einen Podcast hören.