Eine neue Patientin aus Kiel
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Die Patientin ist gerade im Begiff ihr Studium abzuschließen und hat schon mit dem unbewaffneten Auger erkennbar ganz erhebliche Probleme.
Die Schneidekantendistanz liegt gerade einmal bei 33 Millimetern, so dass man sich als Behandler schon fragt, ob es überhaupt möglich wäre unter diesen Vorgaben eine funktionstherapeutische Einstellung der Bisslage vorzunehmen.
Das Hauptproblem besteht zwar vordergründig in einem ausgeprägten Kiefergelenkknacken, das wiederum aber nur das hörbare Symptom eines ganz anderen Problems darstellt.
Die Patienitn steht kurz, und das scheint ihr noch nicht so recht bewusst zu sein, vor der Gefahr der dauerhaften Erwerbsunfähigkeit.
Jedenfalls ist dem Behandler das klar, der Patientin aber scheinbar nch nicht.
Im Alter von c. 16.-17. Lebensjahr wurde eine kieferorthopädische Behandlung durchgeführt. Diese endete mit einem Kiefergelenkknacken, von dem der behandelnde Kieferorthopäde angab, dies habe nichts mit der kieferorthopädischen Behandlung zu tun.
Es folgten dann u.a. 3 x 12 Sitzungen Physiotherapie, ohne dass das in der Sache irgendetwas verbessert hätte.
Die Befunde zeigen deutliche Entzündungen in den Bindegewebsstrukturen beider Kiefergelenke und auch den Muskeln der Kieferschließermuskulatur.
Insgesamt muss man die Situation der Patientin als ernstzunehmend und dringend behandlungsbedürftig einstufen.
Die Patienti selbst hat das Gefühl, man könne diese Probleme mit ein paar kleinen Maßnahmen in den Griff bekommen.
Diese Auffassung teilt der Behandler nicht und klärt die Patientin auf.
Diese verlässt die Praxis und will überlegen.
Es stellt sich eine neue Patientin vor mit ganz erheblichen Beschwerden.
Das Hauptproblem sind zwar die extremen Kiefergelenkgeräusche, noch mehr aber die damit verbundene starke Einschränkung der Mundöffnung.
31 Millimeter maximale Schneidekantendistanz sind schon ein Problem, allein in der Überlegung hier mit einem Winkelstück in den Mund hinein kommen zu wollen.
Der Beschwerdelevel wird zwar von der Patientin erstaunerlicherweise nur mit 2-3 angegeben, dafgür belastet das Thema die Patienitn aber mit einem Level von 8-9
Die Befürchtungen der Patientin sind daher nicht nur begründet, sondern auch sehr ernst zu nehmen.
Die Patientin hat ein richtiges Problem. Sie ist jung und kann schon mit Mitte zwanzig nicht mehr richtig den Mund öffnen und das rechte Kiefergelenk knackt derart laut, dass man kein Prophet sein muss, um zu wissen, dass das keine 60 Jahre mehr so gut gehen wird.
Die Beschwerden begannen in direkter Folge einer kieferorthopädischen Behandlung. Natürlich hat diese nichts mit den Beschwerden der Patientin zu tun.
Sagte jedenfalls der behandelnde Kieferorthopäde.
Das allergrößte Problem ist aber, dass die Patientin geglaubt hat, mit ein paar kleinen Maßnahmen sei dieses Problem in den Griff zu bekommen.
Daher wird außer einer funktionellen Erstuntuntersuchung in der Sache nichts weiter veranlasst.
Die Patientin möchte erst überlegen, ob und was sie in der Sache unternehmen will.
Es erfolgt der dringende Rat alles zu veranlassen, um nicht in die Gesetzliche Krankenversicherung zu gelangen, weil in diesem Versicherungstatus eine sachgerechte Behandlung des Beschwerdebildes unmöglich ist, selbst dann, wenn die Patientin in absehbarer Zeit in die Erwerbsunfähigkeit hinein rutschen sollte.
Es sind Fälle, wie dieser, bei denen ein Patient recht schnell an einer entscheidenden Weggabelung seines Lebens steht. In der letzten Konsequenz vermag man eine derartige Patientin nur aufzuklären, so gut das eben geht. Was die Patientin dann mit den Informationen macht, liegt nicht in der Hand des Behandlers.
Was man einmal mehr kritisch in Richtug kieferorthopädischer Behandlungen feststellen muss.
Es besteht nicht nur eine vollkommen Kritiklosigkeit gegenüber den ergriffenen Maßnahmen, sondern besonders bemerkenswert ist der immer wieder von diesen Patienten zu hörende Reflex, mit dem Kieferorthopäden auf die Beschwerden reagieren, die sich im direkten zeitlichen Zusammenhang mit kieferorthopädsichen Behandlungen ergeben:
Das habe alles nichts mit der gerade durchgeführten kieferorthopädischen Behandlung zu tun! Am Besten wenn der Patient dann gleich noch vom Kieferorthopäden an einen Physiotherapeuten weiter gereicht wird, der dann einen Patienten mehr für eine lebenslange und vollkommen sinnlose Dauerphysiotherapie angeliefert erhält.
Was hätte der Kieferorthopäde tun müssen, bevor er diese Patientin kieferorthopädisch behandelt?
Genau das, was heute bei der Patientin vorgenommen wurde. Wären da schon die erkennbaren Risikofaktoren aufgefallen und hätte man dann die Patientin und deren Eltern über diese Riskofaktoren und die möglichen Nebenwirkungen der kieferorthopädischen Behandlung aufgeklärt, hätte diese Behandlung vermutlich nie stattgefunden. Stattdessen wird aber den potentiellen Patienten und deren Eltern bis heute suggeriert, die Kieferorthopädie sei total harmlos, habe keine Nebenwirkungen und sei von daher die "bessere" Form der Zahnheilkunde.
Die Wahrheit ist hingegen eine andere: Kieferorthopädie erzeugt oftmals erst funktionelle Beschwerden! Unter anderem auch wegen der fehlenden Eigenkritikfähigkeit eines Berufsstandes, der immer nur mantrahaft erklärt: Die Beschwerden, die im Rahmen kieferorthopädischer Behandlungen entstehen, haben niemals etwas mit der kieferorthopädischen Behandlung selbst zu tun.
Und deshalb wird es immer CMD Patienten geben und zwar immer mehr!
Zumindest für Manche der Nichtbetroffenen ein Grund zur Freude.