Eine 85 jährige Patientin ist enttäuscht und man fragt sich, worüber?

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Bevor man in der Sache etwas sagt, muss man folgendes gehört haben.

Die Patientin ist 85 Jahre alt und kommt auch regelmäßig, alle 3 Monate zur UPT.

So weit, so gut.

Die Versorgungen, die die Patientin im Munde trägt, zwei Teilprothesen im Oberkiefer und im Unterkiefer sind seit 25 Jahren weitestgehend unverändert in Funktion.

Vor Jahren hat es Probleme gegeben, weil der Versuch unternommen wurde die vorhandene Konstruktion durch Implantate weiter zu sichern. Zwei der Implantate 4 Implantate sind allerdings nicht osseointegriert worden und eine Marcumar Behandlung hat dann weitere operative Eingriffe vereitelt.

Nun ging es heute um die Frage, ob es sinnvoll sein könnte, die seit 25 Jahren funktionierenden Prothesen generalüberholen zu lassen unter dem Aspekt alles zu optimieren, was Fehlbelastungen, durch Okklusion und hohlliegende Prothesensättel minimieren könnte.

Nun denkt man sich als Außenstehender, dass bei einer Versorgung, die seit 25 Jahren funktioniert eine Patientin eher guter Stimmung sei, ob der ungewöhnlich langen und erfolgreichen Versorgungsphase dieser Arbeit.

Dem war aber leider nicht so. Die Patientin äußerte, sie sei enttäuscht.

Genauere Naschfrage ergibt, weil damals zwei der vier Implantate nicht osseointegriert werden konnten, was wiederum der Versorgung des Unterkiefers keinen Abbruch leisten konnte.

Dann kommt ins Gespräch, es habe angeblich in diesen 25 Jahren Probleme gegeben, sogar die Zahntechnikermeisterin habe in die Praxis kommen müssen.

Nun mag es am fortgeschrittenen Alter des Behandlers liegen, dass der sich an derartiges nicht zu erinnern vermochte, aber die Überprüfung der Behandlungsakte konnte derartigen Vortrag ebenfalls nicht bestätigen.

Bestätigen konnte man hingegen, dass die Versorgung praktisch im Originalzustand vor einem auf dem Tray liegt, weil die Patientin sich bisher jeglicher Überarbeitung der Arbeit verschlossen hatte.

Man sitzt dann in derartigen Fällen ein wenig ratlos dar und das kommt nicht häufig vor und noch nicht mal regelmäßig, führt dann aber eben doch zu gewissen Irritationen, weil sich die Einschätzung dieser Patientin mit den überprüfbaren Fakten nicht in Einklang bringen lässt.

Wir haben der Patientin geraten jeden nur vertretbaren Aufwand betreiben zu lassen, um diese Versorgung weiter zu erhalten, denn  in einem Alter von 85 Jahren und möglichen medizinischen Komplikationen, die durch Untätigkeit entstehen, verschmälert sich die Bandbreite möglicher Maßnahmen, beim Auftreten besagter Komplikationen, dann ganz erheblich.

Eine 85-jährige Patientin, die einen, zwar herausnehmbaren, aber doch festsitzenden Zahnersatz so lange getragen hat, dann auf einen totalen Zahnersatz umzustellen, was mit Sicherheit nicht mehr gelingen dürfte, das möchte man als Behandler nicht erleben.

Da bringt es auch nicht viel, wenn die Patientin ihre Ängste bekundet, die Überarbeitung der Versorgungen würden 3 Tage dauern, weil im Fremdlabor durchzuführen, wenn man dagegenhält, dass möglicher Zahnverlust, verbunden mit kurzfristigen Interventionen und der Anfertigung von herausnehmbaren Immediatersatz, bis hin zu einer definitiven herausnehmbaren Totalendversorgung sich über Wochen und Monate hinziehen dürfte, in denen für die Patientin ihr bekanntes Essverhalten, von einem Tag auf den anderen, schlagartig ein Ende finden dürfte.

Es ist dann in derartigen Situationen für einen Behandler nicht ganz einfach sich zu vergegenwärtigen, dass die Patienten ab einem gewissen Alter dazu neigen bestimmte Aspekte eines Sachverhaltes überzubetonen und dafür andere, wichtige Aspekte gänzlich auszublenden.

Warum die Patientin nun konkret enttäuscht sein könnte, ist, trotz eines längeren Gesprächs, bis zum Ende des Gesprächs nicht wirklich klar geworden.

25 Jahren Versorgung mitels zwei herausnehmbarer, hochwertiger Teilprothesen, die sehr wohl noch viele Jahren weiter funktionieren können, wenn man sie denn endlich einer Generalüberholung unterziehen würden, sind alles andere, als ein Grund zur Enttäuschtung.

Aber auch derartige Fälle stellen eben den Behandlungsalltag einer Spezialpraxis dar.

 

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